Carlson interviewt Putin: Wem nützt das?
Wie vom Kreml bestätigt hat der ultrarechte US-Journalist Tucker Carlson ein Interview mit Wladimir Putin geführt. Es wird vermutlich am Donnerstagabend veröffentlicht. Russische Staatsmedien berichteten in den vergangenen Tagen euphorisch über die Moskau-Reise des TV-Journalisten, der 2023 bei Fox News gefeuert wurde und seither über die Plattform X sendet. Kommentatoren befürchten Wahlkampfhilfe für Putin und Trump.
Ein fataler Zeitpunkt
Für die Ukraine könnte das Interview folgenschwer sein, befürchtet Rzeczpospolita:
„Die Bedingungen für das Gespräch wurden von Wladimir Putin gewählt, nicht von Tucker Carlson. Es wird zu einem Zeitpunkt geführt, an dem im Kongress über das Schicksal der 60 Milliarden Dollar schweren Ukraine-Hilfe entschieden wird. ... Wenn Putin zu einem solchen Zeitpunkt die Gelegenheit erhält, sich in einem Interview ohne harte Fragen und unbequeme Themen direkt an Amerikas rechte Wählerschaft zu wenden, könnte eine solche Propaganda den Verlauf des Krieges verändern. Der Russe wird wahrscheinlich Kompromissbereitschaft, eine Waffenruhe oder sogar Frieden in Aussicht stellen. Und natürlich wird er nicht sagen, dass dies die Kapitulation des Westens bedeuten würde.“
Moskaus Beitrag zur Wahl von Trump
Der in den USA lebende Journalist Stanislaw Kutscher sieht in einem von Echo übernommenen Telegram-Post das Interview als Wahlkampfhilfe für Trump:
„Für Putin ist das Tucker-Interview eine Gelegenheit, den amerikanischen Konservativen Punkt für Punkt zu erklären, warum er für sie eher Verbündeter als Feind ist, und einen Schritt auf seinen lang gehegten Traum zuzugehen: die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus. Der Kreml sieht in Trump einen 'amerikanischen Gorbatschow' - die dortigen 'Strategen' hoffen, dass er Amerika spalten und dann in den Kollaps treiben wird. Oder es zumindest in einen Zustand bringt, in dem es anderes zu tun hat, als den Putinismus einzudämmen. ... Viele Konservative sehen in Putin tatsächlich eine geringere Bedrohung der amerikanischen Demokratie als in Biden.“
Propaganda-Boost für Kreml-Chef
Politologe Abbas Galliamow erkennt ein Wahlkampfmanöver Putins:
„Carlsons Hilfe ist für Putin von unschätzbarem Wert. Die Wahlkampagne verläuft mehr schlecht als recht: die Tagesordnung wird mal von Dunzowa, mal von Nadeschdin bestimmt. Putin gelingt es nicht, innerhalb des Landes einen Impuls zu setzen, daher ist Carlson nun Hoffnung Nummer Eins. Besonders nützlich ist er jetzt, wenn die Zentrale Wahlkommission die Nichtzulassung Nadeschdins verkünden wird. In diesem Moment wird der Eindruck dominieren, Putin habe Angst. Und dieses Problem soll Carlson nun entschärfen: 'Von wegen Angst! Schaut doch, was für ein Star extra aus Amerika eingeflogen ist, um ihn zu interviewen! Euer Nadeschdin kann von so was nur träumen!'“
Unsere Neugierde hält sich in Grenzen
Carlson ist nach Meinung von Seznam Zprávy dort angekommen, wo er hingehört:
„Er hat schon immer russische Propaganda verbreitet. ... Ein Interview mit Putin würde wahrscheinlich nichts Neues bringen. Zu welchen schockierenden Enthüllungen könnte ein sorgfältig einstudiertes freundschaftliches Gespräch über die angebliche Entnazifizierung einer Nachbarnation führen? Nein, das interessiert uns nicht wirklich.“
Musk freut sich über Werbung für X
Carlson dankte vorab X-Besitzer Elon Musk für die Zusage, das Video anschließend nicht blockieren zu wollen. Das wäre auch gar nicht in Musks Sinne, glaubt Daily Sabah:
„Ganz im Gegenteil, dieser hat seine Unterstützung angeboten, und es ist sogar möglich, dass sein persönliches Verhältnis zu Putin eine Zustimmung zu dem Interview erleichtert haben könnte. Putins wohlbekannte Abneigung gegen soziale Medien macht ihn wohl zum einzigen Staatsoberhaupt der Welt, das keinen X-Account hat, wenn man bedenkt, welche Rolle die Plattformen im Westen als gesellschaftliche Waffe spielen. Putins Zustimmung zu dem Interview hat unbestreitbar die Legitimität von X erhöht.“