Wie kommt Europa mit der Energiewende voran?
Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, will die EU den Anteil erneuerbarer Quellen am Energieverbrauch bis 2030 auf mindestens 40 Prozent steigern. Rund drei Viertel der Treibhausgasemissionen entfallen auf den Bereich Energie. Europas Presse diskutiert, wo die EU und ihre Mitgliedstaaten auf diesem Weg stehen und wie man den Prozess weiter beschleunigen könnte.
Spanien ist gut unterwegs
In Spanien wurde 2023 mehr als die Hälfte des gesamten Strombedarfs des Landes von erneuerbarer Energie gedeckt. 2030 sollen es 81 Prozent sein. La Vanguardia fordert, die grüne Energie besser zu nutzen:
„Das Angebot an erneuerbaren Energien droht die Nachfrage zu übersteigen. ... Die Elektrifizierung in Spanien verläuft sehr langsam, vor allem wegen der geringen Verbreitung von Elektroautos und Wärmepumpen. ... Spanien wird sein letztes Kernkraftwerk 2035 schließen. ... Zum Ausgleich der Instabilität der erneuerbaren Energie wird das Land so lange Erdgas als Energiequelle beibehalten, bis die Speicherbatterien technologisch verbessert sind. In diesem Sinne wird es von ausländischer Energie abhängig bleiben. Der Übergang zum neuen Energiemodell ist aber unaufhaltsam.“
Polens Netz hält dem Tempo nicht stand
Polityka sieht vor allem technische Barrieren:
„Polen verabschiedet sich immer schneller von der Kohle, aber der Ausbau der erneuerbaren Energien stößt auf ein Hindernis, das er nicht überwinden kann – die Verteilernetze. ... Die meisten von ihnen sind inzwischen weit über 30 Jahre alt. ... Ein altes Netz ist für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Qualität der Energieversorgung schlechter geeignet. ... Es ist auch schwieriger, neue Erzeugungsquellen an ein altes Netz anzuschließen. ... Bei der Anbindung neuer erneuerbarer Energiequellen an das Netz haben wir fast die Wand erreicht. Einerseits ist dies die Folge des grünen Fiebers der Investoren, andererseits der mangelnden technischen Kapazität der Betreiber.“
Ölmultis unter öffentliche Kontrolle bringen
Um die Wende voranzutreiben, sollte die EU die sechs Erdölkonzerne mit dem höchsten Schadstoffausstoß übernehmen, fordert der grüne EU-Abgeordnete David Cormand in Libération:
„Rund 100 Milliarden Euro müssten mobilisiert werden, um 51 Prozent der Anteile dieser Unternehmen zu erlangen. Sicher, das ist ein hoher Betrag, doch er muss den Summen, die jedes Jahr in fossile Energien investiert werden, der Investitionskapazität der Europäischen Investitionsbank (rund 70 Milliarden Euro jährlich) und dem Preis für Passivität in Sachen Klimaschutz (190 Milliarden Euro jährlich, so das Institut Rousseau) gegenübergestellt werden. Der Green Deal der EU kann sich nicht nur auf Regulierung stützen, so nützlich sie auch ist. Er muss auch auf einer gerechten Besteuerung und gezielten strategischen Investitionen fußen.“
Es geht nicht ohne Atomstrom
Lettland vernachlässigt ein wichtiges Element für eine gelingende Energiewende, klagt Ivars Zariņš, Geschäftsführer des lettischen Verbands der Elektroingenieure und Elektrobauer, in Diena:
„In Lettland fehlt es an Klarheit und an der Bereitschaft, langfristig und bewusst zu planen. Diejenigen Länder, die langfristige Entwicklungsvisionen haben, denken über Kernenergie nach. ... Die Nutzung der Kernenergie wird angesichts globaler Trends – dem Kampf gegen den Klimawandel und dem steigenden Energieverbrauch – immer relevanter. Die Kernenergie bietet eine bequeme Lösung für diese Herausforderungen. ... Ob es uns gefällt oder nicht, wir werden irgendwann an den Punkt kommen, wo wir über die Nutzung der Kernenergie nachdenken müssen.“
Photovoltaik gehört nicht aufs Feld
Die Orte für die Produktion von Solarstrom sind mit Bedacht auszuwählen, fordern Kleinbauernverbände und NGOs in La Libre Belgique:
„Die privaten Bauträger werden von landwirtschaftlichen Flächen angelockt, denn dort kann leicht, schnell und zu niedrigen Kosten installiert werden. Doch folgt man dem Allgemeinwohl und dem gesunden Menschenverstand, ist klar, dass für Photovoltaik-Installationen bereits urbanisierte Räume zu bevorzugen sind. Neben Dächern von öffentlichen und privaten Gebäuden gibt es Tausende Hektar Industriebrachen in Wallonien, die hoffnungslos auf ihre Umnutzung warten. Diese Räume sind für Photovoltaikanlagen geeignet, ohne dass dadurch unsere Landwirtschaft, unsere Lebensmittelversorgung und die Artenvielfalt gefährdet werden.“