Polen ringt um Werte: Traditionell oder progressiv?
In Polen ist wegen mehrerer Regierungsvorhaben eine breite Debatte über den Stellenwert traditioneller Werte im Gange: Die Regierungskoalition von Donald Tusk plant unter anderem Kürzungen beim katholischen Religionsunterricht an Schulen, überarbeitet Lehrpläne und verhandelt über die Einführung eingetragener Partnerschaften für homosexuelle Paare. Ein Blick in Polens Presse gibt eine Ahnung der umfassenden Kontroverse.
Neue Bildungsministerin macht Fehler des Vorgängers
Gazeta Wyborcza kritisiert die vorgenommene Streichung konservativer Autoren aus dem schulischen Lehrplan:
„Was vom neuen Bildungsministerium [eigentlich] verlangt wurde, war eine Abkehr von dem Weg, den Nowackas [PiS-]Vorgänger Przemyslaw Chernek eingeschlagen hatte: Ein Weg voller Missachtung und der Behandlung des Lektürekanons als Mittel der Revanche. Einer Revanche, sollte man hinzufügen, die völlig sinnbefreit ist. Beide [gestrichene] Autoren – Dukaj und Rymkiewicz – vertreten zwar einen konservativen Standpunkt, sind aber hervorragende Autoren, deren Werke viel über Polen und seine Menschen aussagen.“
Absolut kein Verlust
In Rzeczpospolita sieht die Journalistin Daria Chibner die Kürzungen beim Religionsunterricht gelassen:
„Die Kürzung der Unterrichtsstunden kann eigentlich nur begrüßt werden. In ihrer jetzigen Form nehmen die Schüler, abgesehen von einigen lobenswerten Ausnahmen, absolut nichts aus ihnen mit. Abgesehen von einer völligen Gleichgültigkeit gegenüber Glaubensfragen. Der Unterricht ist so dürftig, dass er nicht einmal militante Atheisten hervorzubringen vermag.“
Linke muss Kompromisse schließen
Polityka sieht Lewica (die Linke) unter Druck, ihren konservativeren Koalitionspartnern Zugeständnisse beim Gesetz für eingetragene Partnerschaften zu machen:
„Die Linke muss Handlungsfähigkeit beweisen, denn ihre Umfragewerte fallen immer weiter. Das Abtreibungsgesetz steckt im Parlamentsausschuss fest, das Gesetz gegen Hassreden ist nicht verabschiedet, die Witwenrente ist nicht in Kraft getreten. Es fehlt an Erfolgen, die sich sehen lassen können. Eine Idee, aus der Sackgasse herauszukommen, wäre die Streichung der Adoptionsmöglichkeit [des Kindes des Partners], d.h. der staatlichen Anerkennung eines nicht-biologischen Elternteils.“