Fehde beigelegt: Al-Sisi zu Gast bei Erdoğan
Die Türkei und Ägypten haben nach über einem Jahrzehnt der Spannungen ihre Beziehungen normalisiert: Ein halbes Jahr, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Kairo besuchte, erfolgte nun der Gegenbesuch seines Amtskollegen Abd al-Fattah al-Sisi in Ankara. Welche Ziele verfolgt die Türkei mit ihrer Freundschaftsoffensive?
Abkehr von den Muslimbrüdern
Für Evrensel hat der Besuch vor allem eine regionale Bedeutung:
„Das Bild, das sich uns bietet, zeigt, dass die Erdoğan-Regierung, die gestern durch ihre Beziehungen und Zusammenarbeit mit den Muslimbrüdern und anderen islamistischen Kräften eine regionale Führungsrolle anstrebte und sich neo-osmanischen Träumenhingab, heute eine 'Normalisierung' anstrebt, die mit den VAE und Saudi-Arabien begann und mit Ägypten und Syrien fortgesetzt wird. Daher ist der Besuch von al-Sisi für die Regierung Erdoğan bedeutsam, da er einen Schritt in Richtung einer harmonischeren politischen Linie mit den USA und der Nato und ihren regionalen Kollaborateuren darstellt.“
Viel Aufwand für Kehrtwende
Karar zeigt sich zwar zufrieden, dass sich die bilateralen Beziehungen zu Ägypten wieder normalisiert haben, kritisiert aber auch die Politik der letzten Jahre:
„Letztendlich war es völlig falsch und schädlich für die Türkei, die Beziehungen zu Ägypten aus Hass auf al-Sisi abzubrechen. ... Erdoğan hatte die Beziehungen zwischen den beiden Ländern in einen vegetativen Zustand versetzt. Nach einiger Zeit, als diese Politik an ihr Ende gekommen war, wurden beispiellose Gesten gemacht, um Ägypten zurückzugewinnen. Der gestrige Besuch war eine Antwort auf dieses Beharren auf Einladungen und Gesten. ... Unsere Ägyptenpolitik war so falsch, dass selbst al-Sisi nicht damit gerechnet hat, dass es am Ende so einfach sein und er der Nutznießer sein würde.“
Ankara sucht Einfluss in der arabischen Welt
Die Zyperngriechen müssen mit einer als Regionalmacht erstarkenden Türkei rechnen, schreibt Phileleftheros:
„Es ist offensichtlich, dass Ankara Druck auf Kairo ausübt, um die Beziehungen zumindest teilweise zu verbessern. Gelingt dies, könnte es der Türkei helfen, ihre Isolation gegenüber den arabischen Ländern zu durchbrechen. Ägypten hat als Großmacht in der arabischen Welt die Macht und den Einfluss, das Bild der Türkei als Besatzungsmacht in der Region zu verändern – wenn es das will. Sollten uns diese Schritte beunruhigen? Es ist klar, dass die Logik geopolitischer Interessen die internationale politische Arena beherrscht. ... Die Entwicklungen in diesem Bereich sind dynamisch und müssen kontinuierlich bewertet werden.“
Afrika längst in Erdoğans Interessensphäre
Das Webportal Hellas Journal beleuchtet, wie die Türkei zunehmend in Afrika Fuß fasst:
„Der Auslöser des Konflikts war bekanntlich die Entscheidung Äthiopiens, in der abtrünnigen somalischen Provinz Somaliland einen Marinestützpunkt zu errichten. Dies sorgte für Verärgerung in Kairo, und Ankara scheint die Situation für sich zu nutzen. Die Vermittlungsbemühungen sind nur ein kleiner Teil dessen, was Ankara in Afrika bereits erreicht hat. Sei es durch den Verkauf von Waffen, Drohnen oder Finanzhilfen, die es auf anderem Wege zurückerhält – die Türkei verfolgt seit Jahren einen umfassenden Plan zur Durchdringung Afrikas, der mittlerweile so weit fortgeschritten ist, dass Ankara Dienstleistungen an Drittstaaten verkauft, wie im Falle Ägyptens.“