Was bedeuten russische Drohnen im Nato-Luftraum?

Die Verteidigungsministerien Lettlands und Rumäniens haben am Montag gemeldet, mutmaßlich aus Russland stammende Drohnen seien in ihre Lufträume eingedrungen. Vize-Nato-Generalsekretär Mircea Geoană verurteilte den Vorfall als "unverantwortlich und potenziell gefährlich", allerdings lägen noch keine Hinweise vor, dass es ein absichtlicher Angriff war. In den Medien sorgt die ruhige Reaktion, nicht nur der Nato, für helle Aufregung.

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24tv.ua (UA) /

Russland testet die Grenzen aus

24tv.ua sieht die Drohnenflüge als Teil einer hybriden Kriegsführung Moskaus:

„Heute fallen Drohnentrümmer auf menschenleeres Gebiet in einem Nato-Land. Aber morgen könnten sie auch auf ein Wohnhaus fallen, und solange russische Drohnen in Osteuropa herumfliegen, besteht Gefahr nicht nur für die ukrainischen Bürger. Offensichtlich führt Russland einen hybriden Krieg. Das geschieht parallel zu Cyberangriffen und Luftraumverletzungen durch Kampfjets, insbesondere über der Ostsee. Russland betreibt aktive Propaganda, finanziert prorussische Organisationen, und die Drohnen, die den Luftraum verletzen, sind als eine Art 'Kampfaufklärung' zu verstehen, um zu testen, wie weit es mit seinen Plänen gehen kann.“

Neatkarīgā (LV) /

Militär bleibt Antworten schuldig

Neatkarīgā-Chefredakteurin Elita Veidemane ist empört:

„Auf die Frage, warum die Drohne beim Überqueren der Grenze zu Lettland nicht sofort abgeschossen wurde, hat noch niemand geantwortet. Die Nato hat den Befehl nicht gegeben? Hatte man Angst? Gab es nichts zum Abschießen? Warum? Wo sind menschlich verständliche Antworten? Wo verbirgt sich das Sicherheitsgefühl? Es existiert einfach nicht! Das bedeutet, dass eine Drohne, die von auf Bildschirme schauenden Jungs der Streitkräfte 'überwacht' wird, in jede Schule, jedes Spital, jede Schleuse stürzen kann. Und was werden unsere Streitkräfte tun, wenn 50 oder mehr solcher Drohnen kommen? Weiter überwachen?“

Deutsche Welle (RO) /

Rumänien schaut tatenlos zu

Die Deutsche Welle schimpft:

„Diese Schockstarre Rumäniens begünstigt Russland, das sein Spielfeld in den Nato-Staaten furchtlos erweitert. Die Taktik Moskaus ist es, die Menschen zu verängstigen, sie dazu zu bringen, mit dem Feind zu sympathisieren und sie zu überzeugen, dass die Unterstützung der Ukraine nicht die beste Lösung ist. … Das Gesetz erlaubt die Zerstörung feindlicher Drohnen, wenn sie 'für die Begehung einer feindlichen Handlung' eingesetzt werden. Dafür, dass das Verteidigungsministerium entschied, die russische Drohne unbehelligt zu lassen, gibt es nur eine Erklärung: Aus Sicht der Armeeführung wurde sie als Freundschaftszeichen geschickt, nicht um Leute einzuschüchtern und zu erschrecken.“

Adevărul (RO) /

Verkauft uns nicht für dumm!

Adevărul beschwert sich über die Kommunikationsstrategie des rumänischen Premiers:

„Ciolacus Reaktion ist lächerlich. Russische Drohnen fliegen kilometerweit über rumänisches Gebiet und die Armee greift nicht ein, weil sie weiß, dass diese Drohnen keine Ziele in Rumänien haben. Woher wissen das die Armee und Ciolacu? Hat Putin angerufen, um es ihnen zu sagen? Haben sie Wahrsagerinnen befragt? … Die Ukrainer sagen, dass mehrere Drohnen in unser Land eingedrungen sind, unsere Armee spricht von einer, die hinterher in die Ukraine geflogen ist. Aber Trümmerteile fielen in der Gegend von Periprava [an der ukrainisch-rumänischen Grenze] herunter, die wir nun suchen. Tolle Drohne! Trümmer fallen von ihr ab, aber sie fliegt ungestört weiter und kehrt in die Ukraine zurück!“

La Repubblica (IT) /

Gefährliches Täuschungsmanöver

La Repubblica sieht hinter den Luftraumverletzungen eine klare russische Taktik,

„mit der versucht wird, die [ukrainische] Flugabwehr zu täuschen und das endgültige Ziel der Angriffe zu verschleiern. Sie fliegen in Richtung Belarus oder dringen in den polnischen und rumänischen Luftraum ein, ändern dann plötzlich die Richtung und peilen das eigentliche Ziel an. Die ukrainische Flugabwehr hält ihr Radar im Allgemeinen ausgeschaltet, um ihre Position zu verbergen, und aktiviert es nur, wenn eine unmittelbare Bedrohung vorliegt. Die Ungewissheit über das Ziel kann einen verzögerten Alarm auslösen und die verfügbare Zeit für eine Reaktion verringern.“

Diena (LV) /

Katastrophale Kommunikation

Dass in militärischen Fragen vieles geheim gehalten wird, sieht Diena ein, fordert aber eine klarere Kommunikation zur Beruhigung der Bevölkerung:

„In der Pressekonferenz, in der der Verteidigungsminister der Öffentlichkeit hätte vermitteln sollen, dass der Flug und der Absturz einer Drohne über Lettland vollständig unter Kontrolle waren, ist gefühlsmäßig genau das Gegenteil zurückgeblieben: Die wirren, unklaren Aussagen und auch die fast identischen Antworten auf die Fragen der Journalisten schaffen Stoff für bange Gedanken – was wäre, wenn? Leider müssen wir zugeben, dass wir wirklich Probleme mit der Kommunikation der Minister haben.“

Latvijas Avīze (LV) /

Lettland darf sich nicht ausspionieren lassen

Lettland muss solche Angriffe abwehren können, betont der stellvertretende Chefredakteur von Latvijas Avīze, Maris Antonevičs:

„Das Wichtigste, worüber man in Zukunft nachdenken muss, ist die Frage, wie man solche Drohnen abschießt, denn es ist auf Anhieb schwer zu sagen, ob es sich nur um Irrläufer handelt oder ob sie auf einer bestimmten Mission fliegen, ebenso wie, ob und wie viel Sprengstoff sie tragen. ... Es ist jedoch klar, dass Drohnen zunehmend für verschiedene grenzüberschreitende Einsätze eingesetzt werden. ... Ich glaube nicht, dass eindeutig gesagt werden kann, dass diese spezielle Drohne keine feindselige Mission in Lettland hatte, denn ein Luftabwehrsystem [eines anderen Staats] auf die Probe zu stellen, ist keine freundschaftliche Angelegenheit.“