Österreich vor der Wahl: Gewinnt die FPÖ?

In Österreich wird am Sonntag ein neuer Nationalrat gewählt. Laut Umfragen könnte die rechtspopulistische FPÖ den ersten Platz erreichen und die konservative ÖVP auf Platz zwei verweisen. Kommentatoren debattieren, was das für die Regierungsbildung und die Zukunft des Landes bedeutet.

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Hospodářské noviny (CZ) /

Themen, die bei den Bürgern ziehen

Hospodářské noviny begründet die Beliebtheit der FPÖ so:

„Erstens half ihr Covid, wo sie den Frust der Bürger über den Staat ausnutzen konnte. Dann die russische Invasion der Ukraine, wo sie die Rolle eines 'Friedensstifters' spielen konnte. Und in ihrem Kernthema Migration verfolgt die Partei einen sehr restriktiven Ansatz. Österreich solle keine neuen Asylanträge mehr annehmen, sondern im Gegenteil eine Reihe von Ausländern so schnell wie möglich in ihr Herkunftsland abschieben. Künftig sollen Sozialleistungen nur noch den Österreichern zugute kommen. Das Land soll zur 'Festung' ausgebaut werden. Auf europäischer Ebene kooperieren übrigens seit dem Sommer die Ano von Andrej Babiš und Viktor Orbáns ungarischer Fidesz mit der FPÖ.“

Der Standard (AT) /

Die Schnittmenge auf der rechten Seite ist groß

Der Standard hält eine konservativ-rechtspopulistische Regierung für realistisch:

„Zwischen ÖVP und FPÖ ... gibt es sehr viele Überschneidungen. Das gilt für die Wirtschaftspolitik, aber sehr viel mehr noch für die Gesellschaftspolitik. Die FPÖ will kritische Medien und Künstler und Intellektuelle überhaupt an die Kette legen. Die ÖVP will nach dem neuesten Gesetzesvorhaben investigative Journalisten einsperren. In der Migrationspolitik vertritt die Volkspartei eine 'Kickl light'-Politik, in der Umweltpolitik sind sowohl ÖVP als auch FPÖ reine Autoparteien. ... Beide halten Trachtenumzüge und Blasmusik für die wahre Kultur. Beide wollen sich 'von Brüssel' nichts sagen lassen.“

Die Presse (AT) /

Mit Goebbels-Manieren findet man keine Partner

Eine Koalition mit der FPÖ hält Kulturwissenschaftler Christoph Landerer in Die Presse für unwahrscheinlich:

„Die freiheitliche Provokationsstrategie hat Kickl gleichzeitig perfektioniert und radikalisiert. Für seine Auftritte vor Anhängern und Parteigängern hat er sich einen Sprachduktus zurechtgelegt, der nicht wenige politische Beobachter an Goebbels erinnert. Stimmgebung und Gestik sind einstudiert, im Fernsehstudio pflegt Kickl eine andere Tonalität. Für eine Regierungszusammenarbeit empfiehlt man sich damit nicht; die FPÖ macht es der ÖVP so schwer wie möglich, mit ihr zu koalieren.“

Kurier (AT) /

Zu einer gemeinsamen Wahrheit finden

Die Spaltung der Gesellschaft beschäftigt den Kurier:

„Die Fliehkräfte, die Brüche scheinen – im Internet brutal verstärkt – einen bedenklichen Punkt erreicht zu haben, einen, den man mit einem demokratiepolitischen Alarmwort versehen muss: Man steht sich in seiner Wahrheit unversöhnlich gegenüber. Deswegen ist auch die Demokratie weltweit vielleicht so lebendig wie lange nicht mehr – und zugleich akut gefährdet. ... Die wichtigste Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, zu einer gemeinsamen Wahrheit zurückzufinden.“

Tygodnik Powszechny (PL) /

Extremwetter schwächt Extremisten

Die Überschwemmungen haben den Wählern gezeigt, wie wichtig Umweltpolitik sein kann, vermutet Tygodnik Powszechny:

„Viele Beobachter meinen, dass sich die Stimmung nach den extremen Unwetternin Österreich geändert haben könnte. Und dass viele Österreicher zögern könnten, für [FPÖ-Chef Herbert] Kickl zu stimmen, der die umweltpolitischen Projekte der christdemokratisch-grünen Regierung kritisiert und seine Gegner beleidigt hat, indem er in Diskussionen über den Klimawandel von 'Klimakommunismus' sprach. Wo doch langsam klar wird, dass es die Renaturierungsmaßnahmen entlang der Flüsse in Niederösterreich waren, die wohl noch größere Überschwemmungen in der Region verhindert haben.“

Diena (LV) /

Instabile Mehrheiten in Sicht

Diena analysiert die Möglichkeit einer zukünftigen Rechts-Mitte-Koalition zwischen FPÖ und ÖVP:

„Kein anderes Tandem wird eine Mehrheit im Parlament haben. Doch das Zweierbündnis ist unwahrscheinlich. Beide Parteien mögen sich in innenpolitischen Fragen einig sein, ihre außenpolitischen Ansichten unterscheiden sich jedoch grundlegend. Auch der Gedanke, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl den Stuhl des Premiers übernehmen könnte, versetzt Politiker etablierter Parteien und das geeinte Europa als Ganzes offenkundig in Angst und Schrecken. Daher ist eine Dreiparteienkoalition in Österreich sehr wahrscheinlich. ... Eine andere Frage ist, dass ein solcher Schritt traditionelle etablierte Parteien in den Augen der Wähler nur noch unattraktiver macht.“