Kann der Staat die Geburtenrate steigern?

Die kroatische Regierungskoalition aus konservativer HDZ und extrem rechter Heimatbewegung (DP) hatte vor fünf Monaten ein neues Demografie-Ministerium geschaffen. Nun trat der DP-Minister Ivan Šipić mit ersten Vorschlägen zur Steigerung der Geburtenrate vor die Presse. Kommentatoren beschäftigen sich auch mit noch drastischeren Maßnahmen in Russland.

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Jutarnji list (HR) /

Völlig veraltete Vorstellungen

Jutarnji list glaubt nicht an den Ansatz des neu gegründeten Demografie-Ministeriums:

„Frauen dafür zu bezahlen, daheim zu bleiben und Kinder zu gebären, Anrufe an Enkel und Urenkel der nach Südamerika ausgewanderten Kroaten, um sie wieder zurück in die Heimat zu locken, sind Ideen, die die Heimatbewegung während des Wahlkampfes zur Verbesserung der demographischen Lage Kroatiens präsentiert hat. Es ist ein altes rechtes Mantra, dass die Regierung nur klug und heimatliebend sein müsse, damit sich die Kroaten gleich massenhaft ans Kinderkriegen machen. Doch wird dies nicht geschehen, aus einfachem Grund: Technologische Innovationen, Demokratisierung und Emanzipation der Frau haben tektonische demographische Veränderungen verursacht. Es gibt keinen Weg zurück.“

Večernji list (HR) /

Komplexität erkannt

Immerhin versteht man die Komplexität des Problems, kontert Večernji list:

„Was bei der Pressekonferenz gut war, ist das Bestehen des Ministers auf wissenschaftlich belegten Maßnahmen, nicht auf Populismus. Man muss ferner zugeben, dass der Minister klar gezeigt hat, dass er sich der Tatsache bewusst ist, dass die dringenden Populationsprobleme (Überalterung, natürlicher Tod, Auswanderung, Einwanderung kulturell unterschiedlicher Gastarbeiter usw.) nicht kurzfristig und nicht mit einem Zauberstab zu lösen sind. Das zeigt, dass man sich im Ministerium der Komplexität des Problems bewusst ist sowie der Langfristigkeit möglicher Lösungsansätze.“

Echo (RU) /

Kinderlosigkeit passt nicht zum Sieger-Image

In Russland soll es verboten werden, sich positiv über Kinderlosigkeit zu äußern, kritisiert der Exil-Politiker Maxim Katz auf Echo:

„Zwei Gesetzesnovellen über das Verbot von Childfree wurden in die Duma eingebracht. Die erste verbietet das Bewerben von Kinderlosigkeit in Filmen, Werbung und Medien. Die zweite führt Ordnungsstrafen analog zu den Strafen für Propaganda von LGBT ein. ... Die idiotischen Verbote der Ideologie von Childfree oder die Aufforderung an Schülerinnen, für Zusatzpunkte beim Hochschulzugang Kinder zu gebären, verbessern die Geburtenrate nicht. Aber das kümmert jene kaum, die bald brav für das Verbot von Childfree votieren. Warum tun sie das? Weil das Gefühl in der Luft liegt, dass Russland an der demografischen Front verliert, was nicht ins Bild vom 'Sich-von den-Knien-Erheben' und allgemeinem Triumph passt.“

Radio Kommersant FM (RU) /

Darf man in Russland noch Nein sagen?

Anlässlich der neuen Regeln fragt Radio Kommersant FM vorsichtig, inwieweit man in Russland noch eine eigene Meinung haben darf:

„Kann man sich auf der heutigen Stufe der Entwicklung des Landes gegen irgendetwas äußern und mit irgendetwas nicht einverstanden sein? Und das – schlimm ist schon der Gedanke – öffentlich tun? Nur ein bisschen, aus dem allereinfachsten Anlass? Nicht die Grundfesten erschüttern, sondern wegen der Interessen des einfachen Menschen, für den, so mag es zuweilen scheinen, schon nachgedacht und alles entschieden wurde. Die Antwort ist offensichtlich. Nicht zustimmen kann man natürlich, um hinterher vom Gegenteil überzeugt zu werden. So ist es für alle einfacher.“