UN-Mission in Libanon unter israelischem Beschuss
Die Unifil-Mission im Süden des Libanons ist in den vergangenen Tagen mehrmals unter israelischen Beschuss geraten. UN-Generalsekretär Guterres verurteilte dies als Bruch des Völkerrechts. Der Weltsicherheitsrat warnte vor Angriffen auf Blauhelm-Soldaten. Israel forderte die UN indes auf, die Truppen abzuziehen, da die Hisbollah in deren unmittelbarer Nähe agiere und die UN-Soldaten als Deckung für Terroraktivitäten nutze.
Als Hisbollah-Schutzschild missbraucht
Berlingske hält die Mission der UN-Truppen im Libanon für kontraproduktiv:
„Unifil sollte sicherstellen, dass der Südlibanon frei von Waffen oder Truppen bleibt, die nicht dem libanesischem Staat unterstehen. Mit anderen Worten: Die Hisbollah sollte raus aus der Gegend. ... Sie ist laut verschiedener Berichte aber nach wie vor massiv im Südlibanon präsent. Laut Israels Armee operiert sie aus Tunneln, die gerade einmal 100 Meter von dem UN-Stützpunkt entfernt sind. Eine UN-Mission, die Israel schützen soll, könnte demnach also in Wirklichkeit genau das Gegenteil tun. Die Hisbollah hat die UN-Angehörigen zu einer Art zivilem Schild gemacht, der es ihr ermöglicht, Israel anzugreifen. ... Gleichzeitig hindert man Israel effektiv daran, zurückzuschlagen, ohne für Angriffe auf die UN-Mission kritisiert zu werden.“
Zuschauen löst keine Konflikte
Die Neue Zürcher Zeitung hinterfragt den Sinn der Blauhelm-Mission:
„Der Erfolg der Mission ist kaum messbar. Das liegt vor allem daran, dass die Unifil-Soldaten zum Beobachten verdammt sind. ... Ideale Bedingungen für den Hizbullah also, nicht nur den Status quo zu erhalten, sondern sogar aufzurüsten. Die Gruppe konnte in den vergangenen Jahren ihr Waffenarsenal auffüllen und zahlreiche neue Kämpfer rekrutieren. Das ist der Miliz gelungen, weil niemand sie in die Schranken weist: die libanesische Armee nicht und die Blauhelmsoldaten schon gar nicht. ... Eindeutig ist: Eine Entwaffnung des Hizbullah sieht anders aus. ... Durch Zuschauen Konflikte lösen – das bleibt Wunschdenken.“
Die Weltordnung ist ein fragiles Gebilde
Unter Beschuss ist die ganze internationale Rechtsordnung, warnt der Spiegel:
„Dazu summiert sich Israels Umgang der vergangenen Monate mit jenen Institutionen, die den Regeln dieser Ordnung Durchsetzungskraft verleihen sollen. Im Dröhnen der Kriege, die Israel mit Luftangriffen auf den Libanon, Syrien, den Jemen, das Westjordanland und Gaza führt, geht leicht unter, dass Netanyahu in seiner letzten Rede vor der Uno-Vollversammlung in New York auch internationale Institutionen einreihte unter den 'sieben Fronten', an denen Israel gerade kämpfen müsse. ... Die Weltordnung ist ein fragiles Gebilde. ... [S]ie wird getragen von der Übereinkunft der Nationen, ihre Regeln zu akzeptieren. Aller Nationen. Eine Ordnung, die nicht für alle gleichermaßen gilt, gilt bald für niemanden mehr.“
Mission komplett gescheitert
La Stampa stellt die Effektivität der UN-Mission infrage:
„Wozu ist Unifil gut? Es ist nicht Sache Israels, darüber zu urteilen. Und schon gar nicht, Anweisungen zu geben, zum Rückzug aufzurufen oder auf die Blauhelme zu schießen, die ihre Pflicht tun. Aber die Frage ist legitim. Die Anwesenheit der UN-Friedenstruppe im Südlibanon hat die Hisbollah nicht daran gehindert, dort Wurzeln zu schlagen und den Ort jahrelang zu einer Basis für den Raketenabschuss auf Israel zu machen, und sie hält auch die israelischen Truppen nicht davon ab, die Grenze zu überschreiten, um dem ein Ende zu setzen. ... Das berechtigt Netanjahu nicht zu einseitigen Ultimaten, aber es zwingt uns, eine Tatsache anzuerkennen: Die Unifil hat die ihr 2006 zugewiesenen Ziele nie erreicht.“
Friedenstruppen müssen bleiben
Die UN-Mission muss Israel bremsen, betont La Croix:
„Trotz der Risiken ist es wichtig, dass die 'Friedenssoldaten' dort bleiben, wo sie sind. Denn sie stellen ein Hindernis für den totalen Krieg dar, den Benjamin Netanjahu möglicherweise führen will. Die israelische Armee beschränkte sich neben ihrer Luftangriffskampagne bisher auf Vorstöße in die von der Hisbollah kontrollierten Gebiete, wo sie auf starken Widerstand stößt. Sie könnte jedoch versuchen, die Waffenarsenale und die Infrastruktur ihres Feindes dauerhaft zu zerstören, wie sie es gegen die Hamas im Gazastreifen getan hat. Das würde zu einer fürchterlichen Eskalation führen – eine Logik, die durchbrochen werden muss.“
Das verstößt gegen Recht und Verstand
Mit der Aktion schadet Israel sich selbst, meint Die Presse:
„Die israelische Armee darf nicht einfach auf Mitglieder einer Truppe losballern, die sich dort auf Basis einer UN-Resolution befindet. … Wer auf Blauhelme schießt, verstößt gegen internationales Recht - und jeden Verstand. Der UN-Truppe gehören unter anderem Soldaten aus 16 EU-Staaten an, darunter auch 160 Angehörige des österreichischen Bundesheers. Sollte es bei derlei Scharmützeln zu Todesfällen kommen, kann das die Stimmung in ganzen Ländern zum Kippen bringen. Mit solchen Aktionen verprellt Israel seine letzten Verbündeten. Freunde aber wird das Land brauchen, spätestens nach dem angekündigten Vergeltungsschlag gegen den Iran.“
Die UN hat ihren Auftrag nicht erfüllt
Jene Staaten, die der UN-Friedensmission uneingeschränkte Unterstützung versichern, sollten sich eine kritische Frage stellen, findet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Was hat diese Mission mit derzeit immerhin 10.000 Soldaten zu einer Befriedung an Israels Nordgrenze beigetragen? ... Zwar kann niemand wissen, ob es ohne Unifil nicht noch schlimmer gekommen wäre. Fest steht aber: Hätte die nun schon seit 1978 währende UN-Mission ihren Auftrag in der Vergangenheit erfüllt, dann hätte die Hizbullah gar nicht in der Lage sein dürfen, aus dem südlichen Libanon derart viele Raketen auf Israel zu schießen. So hat die israelische Armee das Heft nun selbst in die Hand genommen. Sie versucht, jene Sicherheit zu schaffen, welche die Weltgemeinschaft Israel nicht verschaffen konnte.“
Einsamer Vorposten westlicher Werte
Der Westen kann sich schwer in Israel hineinversetzen, reflektiert Corriere della Sera:
„Israels Einsamkeit ist für uns kaum übersetzbar. Dem Westen fällt es schwer zu verstehen, was es bedeutet, ein Vorposten westlicher Werte in einer geopolitischen Region zu sein (und trotz allem zu bleiben), die von Theokratien und absoluten Regimen beherrscht wird. Selbst die Angriffe auf das UN-Friedenskontingent im Libanon, die wir zu Recht als empörende Verletzung des Völkerrechts und des humanitären Rechts empfinden, erscheinen den Israelis als Teil eines viel größeren Mosaiks. Für ein Land, das die moralische Last von 40.000 Toten im Gazastreifen zu tragen hat, sind die Scharmützel mit den Blauhelmen Kollateralschäden, und zwar auch dann, wenn sie tödlich enden würden.“
Angriff auf versierte Beobachter
Die UN-Mission könnte der israelischen Armee schon länger ein Dorn im Auge gewesen sein, mutmaßt Declan Power, der selbst als Soldat an Friedensmissionen teilgenommen hat, in Irish Independent:
„Die Anwesenheit von Unifil-Beobachtern bedeutet, dass es eine militärisch versierte Stimme gibt, die Fakten dazu sammelt, wer was, wo und wann getan hat. Diese Art von Informationen erschwert es kriegführenden Parteien, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, unnötige zivile Opfer zu vermeiden, und ermöglicht es, die Kriegsparteien zur Rechenschaft zu ziehen.“
Europas inakzeptable Komplizenschaft
Der ehemalige Vizepräsident des EU-Parlaments, José Pacheco Pereira, klagt in Público über Untätigkeit Europas:
„Sie haben weder auf die israelische Gewalt noch auf die systematischen Verstöße gegen das Völkerrecht auch nur im Geringsten reagiert, noch haben sie die Uno und António Guterres verteidigt, beides Zielscheiben Israels, das alles angreift, was sich ihm auf dem Boden und in der Diplomatie in den Weg stellt. … Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass dieses erbärmliche Zögern Europas (Portugal eingeschlossen) eine inakzeptable Komplizenschaft bedeutet und nicht einmal realpolitisch begründet ist, außer in einigen Ländern aus Angst vor den Wahlen. … Es entwürdigt uns.“