Nach Waffenruhe-Vorschlag: Wie reagiert Moskau?

Bei den Verhandlungen im saudi-arabischen Dschidda haben sich die Unterhändler aus Washington und Kyjiw auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt, der eine sofortige 30-tägige Waffenruhe im Ukraine-Krieg vorsieht. Die vorübergehend ausgesetzte Militärhilfe der USA für die Ukraine wird wieder aufgenommen. Kommentatoren beschäftigt nun vor allem die Frage, wie Russland auf den Vorschlag reagieren wird.

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Lidové noviny (CZ) /

Wichtige Fragen noch offen

Noch ist unklar, wie die Sicherheit der Ukraine gewährleistet werden kann, merkt Lidové noviny an:

„Es ist wahrscheinlich, dass Russland ohne größere territoriale Zugeständnisse einen Waffenstillstand nicht akzeptieren wird oder dass dieser Waffenstillstand nicht lange anhalten wird. Gleichzeitig besteht das Problem darin, dass die Ukraine Garantien dafür braucht, dass die Machthaber Russlands sie nicht erneut angreifen. Allerdings weigern sich die Amerikaner, solche Garantien zu geben. Das Einzige, was bleibt, ist eine Art europäische Garantie oder die Möglichkeit, die Ukraine so zu bewaffnen, dass sie genauso stark ist wie Russland. ... Allerdings ist die Frage, ob die Amerikaner in so etwas investieren wollen.“

Vladimir Fesenko (UA) /

Putin unter Zugzwang

Der Politologe Wolodymyr Fessenko beschreibt auf Facebook die verzwickte Lage des Kremls:

„Putin steht nun vor einem schwierigen Dilemma: Die Ukraine oder Trump. Noch gestern hoffte er wohl, beides zu kriegen – mit Hilfe von Trump die Ukraine zur Kapitulation zu bewegen, mit der Zeit die Kontrolle über die Ukraine wiederzuerlangen und zugleich eine Einigung mit Trump über verschiedene taktische und möglicherweise auch strategische Fragen zu erzielen. Und nun muss er sich entscheiden. … Wenn er doch noch ein taktisch-strategisches Bündnis mit Trump anstrebt, um seine geopolitische Position zu stärken und die Abhängigkeit von China zu mindern, dann müsste er der Waffenruhe zustimmen und seine Absicht aufgeben, die Ukraine zur Kapitulation zu zwingen.“

Alyona Getmanchuk (UA) /

Diplomatie-Erfolg für ukrainische Delegation

Die Politologin Aljona Hetmantschuk resümiert auf Facebook:

„In Saudi-Arabien hatte die Ukraine aus meiner Sicht zwei zusammenhängende grundlegende Aufgaben: Erstens: Möglichst überzeugend zu demonstrieren, dass nicht die Ukraine das Hindernis für den Frieden ist, sondern Russland. ... Zweitens: Den Diplomatie-Ball auf die russische Seite des Feldes zu werfen. Durch eigene Vorschläge, eine proaktive Vision und die Bereitschaft zu einer Waffenruhe unsererseits. Die ersten Informationen und Erklärungen aus Dschidda sowie die Berichte über die Wiederaufnahme der Militärhilfe sowie des nachrichtendienstlichen Informationsaustauschs zeugen davon, dass es der ukrainischen Delegation gelungen ist, diese beiden Aufgaben zu erfüllen.“

Ria Nowosti (RU) /

Annahme in dieser Form ausgeschlossen

Ein Statement der staatlichen Agentur Ria Nowosti deutet an, wie man die Lage in Moskau einschätzt:

„Die Art und Weise, wie wir [den diplomatischen Spielball] zurückschlagen, wird über Russlands Geschick in dieser speziellen diplomatischen Disziplin entscheiden. Wir müssen klug vorgehen und den Ball zurück in die Ukraine spielen, damit wieder Selenskyj zum Hindernis für Trumps Nobelpreis wird. Es kommt für Russland nicht infrage, das Angebot aus Dschidda in seiner jetzigen Form anzunehmen. Der Westen und die Ukraine fordern unisono eine Einstellung der Kampfhandlungen, aber das tun sie seit Februar 2022, wobei niemand das Recht hat, so zu tun, als hätte man nicht gehört, dass Russland einige Bedingungen stellt: die Beseitigung der Gründe für den Beginn der militärischen Sonderoperation [vom Kreml vorgeschriebene Bezeichnung für den Krieg gegen die Ukraine].“

La Repubblica (IT) /

Pokern mit ungewissem Ausgang

Da stehen sich zwei konträre Pläne zur Neugestaltung der globalen Ordnung gegenüber, analysiert La Repubblica:

„Putins extreme Zugeknöpftheit und Trumps völlige Offenheit bilden den unausgewogenen Beginn eines Pokerspiels zwischen den beiden Führern, das unvorhersehbare Ergebnisse haben kann. Denn ihre jeweiligen Ziele sind recht unterschiedlich. Putin will die russische Souveränität über die Ukraine behaupten, um das Projekt einer eigenen Einflusssphäre entlang der nationalen Grenzen wieder aufzunehmen. ...Trump will Putin von Peking lösen und die Verständigung über die Ukraine zum Auslöser einer neuen internationalen Ordnung machen. ... Putin und Trump verkörpern zwei ehrgeizige Pläne zur Neugestaltung der internationalen Sicherheitsordnung, die im Moment nicht miteinander vereinbar zu sein scheinen.“

BBC (GB) /

Beleidigungen gehören für Trump dazu

BBC erinnert an den Eklat zwischen Trump und Selenskyj nur wenige Tage vor der nun demonstrierten Einigkeit und stellt fest:

„Die Tatsache, dass es den Diplomaten der USA und der Ukraine gelungen ist, die Beziehungen zu verbessern und einen Weg nach vorn zu finden, ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Trump trotz seines offensichtlichen Getöses und seiner Neigung zu Beleidigungen immer noch offen für weitere Verhandlungen zu sein scheint. Für ihn sind Imponiergehabe und Einschüchterung oft ein wesentlicher Teil des Verhandlungsprozesses.“