EU-Verteidigung: Was bringt der Milliardenplan?

Die EU will ihre Verteidigungsfähigkeit massiv erhöhen: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte am Dienstag einen "Plan zur Wiederaufrüstung Europas" vor, mit dem bis zu 800 Milliarden Euro mobilisiert werden sollen. Das Paket umfasst eine Lockerung der Schuldenregeln und Kreditanreize für Investitionen in die Verteidigung. Kommentatoren debattieren, wie sinnvoll dieser Vorstoß ist.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Ohne Gemeinschaftsschulden geht es wohl nicht

Von der Leyen betreibt mit ihrer Ankündigung Augenwischerei, kritisiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Den weit überwiegenden Teil – 650 Milliarden Euro in vier Jahren – erwartet sie von den Mitgliedstaaten. Er beruht auf der Annahme, dass diese im Schnitt künftig jedes Jahr 1,5 Prozentpunkte ihrer Wirtschaftsleistung mehr für Verteidigung ausgeben als bisher und dafür von den EU-Budgetregeln ausgenommen werden. Das ist eine mutige Annahme. Etliche Mitgliedstaaten wollen ihre Rüstung gar nicht um den entsprechenden Betrag steigern, andere können es nicht. ... Neue Gemeinschaftsschulden sind deshalb sicher nicht vom Tisch.“

Rzeczpospolita (PL) /

Eine recht optimistische Kalkulation

Rzeczpospolita ist skeptisch, was die Wirkung zusätzlicher Mittel für die nächsten vier Jahre durch eine Lockerung der Schuldenregeln angeht:

„Die vorgestellte Initiative beziffert von der Leyen auf 800 Milliarden Euro. Das klingt beeindruckend, aber wie realistisch sind diese Maßnahmen? Der Löwenanteil ergibt sich aus der Ankündigung, dass durch den Abzug der Rüstungsausgaben von der Berechnung des zulässigen Haushaltsdefizits die Ausgaben in der gesamten EU über vier Jahre um durchschnittlich 1,5 Prozentpunkte des BIP steigen könnten. Das ergibt 600 Milliarden Euro. Nur wird Russland den Europäern diese vier Jahre dafür geben? Und werden die Mitgliedstaaten die sich bietende Gelegenheit tatsächlich nutzen und die genannten Mittel mobilisieren?“

15min (LT) /

Parallel zum Geldfluss die Effizienz steigern

Politologe Ramūnas Vilpišauskas rät in 15min:

„Europäische Länder werden also mehr Schulden aufnehmen müssen – und falls eine Koalition der Willigen zustande kommt, möglicherweise sogar gemeinsam. Doch eine stärkere Finanzierung der Verteidigung ist nur der erste Schritt. Gleichzeitig muss die Zersplitterung der europäischen Rüstungsindustrie verringert, ihre Kapazitäten erhöht und die öffentlichen Beschaffungen effizienter gestaltet werden. Dies ist derzeit der wichtigste Weg für Europa, nicht nur seine Sicherheit zu stärken, sondern auch die USA davon zu überzeugen, die Interessen und Meinungen ihrer Verbündeten stärker zu berücksichtigen.“

L'Opinion (FR) /

Steuererhöhungen wären kontraproduktiv

L'Opinion warnt vor einer Überlastung der öffentlichen Finanzen – und deren Rettung durch höhere Steuern:

„Die staatlichen und sicherheitspolitischen Maßnahmen werden unsere öffentlichen Finanzen verschlingen und schwierige Entscheidungen erfordern. Wie üblich wird der erste Reflex der Politiker die Steuern betreffen – mit dem Risiko, diejenigen zu entmutigen, die Wohlstand schaffen, und genau das zu bremsen, was die 'Kriegswirtschaft' am dringendsten benötigt: Wachstum. Eine neue Zeit – und eine neue Herausforderung: die Haushalts- und Sozialausgaben an die militärischen Erfordernisse anpassen.“

eldiario.es (ES) /

Schreckgespenst Putin zieht immer

Die russische Bedrohung muss für verdächtig vieles herhalten, sinniert Kolumnist Isaac Rosa in eldiario.es:

„Eigentlich sollte man meinen, Russland habe nach drei Jahren sieglosem und äußerst verlustreichem Krieg gegen die Ukraine wenig Lust auf neue Abenteuer. ... Dennoch haben wir das alte Argument 'Russland hat Schuld' neu aufgelegt und das Schreckgespenst Putin wird fortan als Rechtfertigung für alles Mögliche herhalten: Erhöhung der Militärausgaben? Putin! Kürzung der öffentlichen Ausgaben, um mehr für Verteidigung auszugeben? Putin! Wiedereinführung der Wehrpflicht? Putin! Alles, was sie mit dem Argument Putin vorschlagen, wird gemacht. Einschließlich des Kaufs eines Großteils der Waffen ausgerechnet von den USA.“