Erschütternde Erkenntnisse zu Flugzeugabsturz
Der Copilot der verunglückten Germanwings-Maschine soll das Flugzeug mit Absicht zum Absturz gebracht haben. Das habe die Auswertung des Stimmenrekorders ergeben, teilte die französische Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Die Presse zeigt sich erschüttert und ratlos angesichts der Frage, wie solche Tragödien in Zukunft verhindert werden können. Einige Kommentatoren warnen jedoch auch vor einem vorschnellen Urteil.
Wir müssen die stete Gefahr akzeptieren
Mehrere deutsche Fluggesellschaften wollen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine ihre Sicherheitsvorschriften verschärfen und sicherstellen, dass immer mindestens zwei Crewmitglieder im Cockpit sind. Die linksliberale Frankfurter Rundschau findet das richtig, erinnert jedoch daran, dass auch dies keine absolute Sicherheit bringt: "Technikzweifler mag es - so sehr sie mit den Opfern fühlen - beruhigen, dass nicht die Maschine versagt zu haben scheint. Andere sind umso schockierter, weil eine Instanz, der wir zwingend vertrauen, wenn wir fliegen, das Vertrauen derart missbrauchen kann. Aber weder das eine noch das andere wird etwas daran ändern, dass wir - so sehr wir es aus Selbstschutz verdrängen - einer irren Tat überall zum Opfer fallen können. Das ist nicht beruhigend. Aber vielleicht erleichtert uns gerade die Akzeptanz steter Gefahr die Entscheidung, trotz allem weiter auf die Straße zu gehen - oder ein Flugzeug zu besteigen."
Vielleicht ist unser Zeitgeist schuld
Über die Motive des Copiloten für den absichtlichen Absturz von Germanwings-Flug 4U 9525 spekuliert das Webportal Protagon: "Wenn der Pilot keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat, werden wir nie erfahren was in ihm vor sich ging. Irgendwann werden wir die Tat vergessen, das Rampenlicht erlischt, ohne irgendeine Antwort zu hinterlassen. Wir werden uns fragen, ob er etwas Ähnliches im Kino sah und beschlossen hat, es selbst zu erleben. Doch wir werden auch überlegen, ob die Schuld nicht nur in seinem verwirrten Kopf zu suchen ist, sondern auch im heutigen Zeitgeist. Ist er es vielleicht, der von uns fordert, die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen? Jeder weiß, wie er das heute tun kann. Vielleicht wird der Rest der Welt nicht wahrnehmen, dass du gelebt hast. Alle werden aber erfahren, dass du gestorben bist."
Piloten psychologisch besser überwachen
Angesichts des Flugzeug-Unglücks, das überall starke Emotionen hervorruft, versucht die linksliberale Tageszeitung Libération rational zu bleiben und hilfreiche Lektionen daraus zu ziehen: "Es ist ein Albtraum und eine Ironie der Geschichte, dass das Drama gerade durch eine Sicherheitsmaßnahmen ermöglicht wurde, die nach den Attentaten vom 11. September ergriffen wurden - und zwar die Verriegelung der Cockpittür. Dennoch können weitere Lehren aus diesem Vorfall gezogen werden. Die erste ist, dass der Mensch trotz des technologischen Fortschritts weiterhin über die Maschine herrscht. … Diese Beherrschung der Maschine durch den Menschen ist sowohl beruhigend als auch beängstigend. Die zweite Lehre ist konstruktiver. Die ganze Welt erfährt heute, dass Piloten nach Abschluss ihrer Ausbildung keine psychologischen Tests mehr ablegen müssen, lediglich ihre technischen Fähigkeiten werden überprüft. In diesem Bereich besteht nun dringender Handlungsbedarf."
Staatsanwaltschaft eröffnet Jagd auf Copiloten
Sofort nach der Bekanntgabe erster Ermittlungsergebnisse zum Absturz der Germanwings-Maschine wurden Details über den Copiloten verbreitet. Der Medienblog auf der Website der liberal-konservativen Neuen Zürcher Zeitung kritisiert die Spekulationen und die Vorverurteilung des mutmaßlichen Täters: "Die Staatsanwaltschaft Marseille nannte am Donnerstag den Namen des Co-Piloten, der offenbar allein im verschlossenen Cockpit sass, als das Germanwings-Flugzeug abstürzte. Im Nu verbreitete sich der Name in den digitalen Kanälen der Nachrichtenanbieter. In den sozialen Netzwerken staut sich die Wut. Ein offensichtlich gefälschtes Twitter-Konto gibt den Mann den Schmähungen preis. Die Jagd ist eröffnet. Niemand fragt, ob die Faktenlage schon eindeutig klar ist und ob aus dem Mund der französischen Staatsanwaltschaft stets die Worte Gottes zu hören sind. Stumm sind jene zahlreichen Akteure, die sonst stets kritisch die Stimmen von Staatsvertretern kommentieren. Eine gewisse Vorsicht bei der Einordnung, Einschätzung und Wiedergabe von hochaktuellen Ereignissen wäre ein Gebot der selbstkritischen Vernunft."