Moskau lockt Athen mit Investitionen
Russlands Präsident Wladimir Putin und Griechenlands Premier Alexis Tsipras haben am Mittwoch in Moskau vereinbart, künftig energiepolitisch enger zusammenzuarbeiten. Um Finanzhilfen für den hochverschuldeten Eurostaat sei es bei dem Treffen nicht gegangen. Einige Kommentatoren beobachten eine verzweifelte Reaktion Putins auf die zunehmende Geschlossenheit der EU. Andere werten das Treffen als genialen Schachzug des Kremlchefs zur Lockerung der EU-Sanktionen.
Kremlchef stärkt unfreiwillig die EU
Putin hat mit seiner Politik unfreiwillig den Zusammenhalt in der EU gestärkt, meint die konservative Tageszeitung Die Presse anlässlich des Besuchs des griechischen Premiers Alexis Tsipras in Moskau: "Je mehr Putin seinen europäischen Sparringpartner schwächen wollte, umso mehr hat er ihn gestärkt. Denn realiter war er trotz seiner Meisterschaft, Keile in die EU-Ritzen zu treiben, bei Weitem nicht in dem Ausmaß erfolgreich, wie er sich das erträumt hatte. So hat etwa Moskaus Versuch, auf dem für das Land lebenswichtigen Gassektor eine einheitliche EU-Energiepolitik zu verhindern, indem man einzelne Länder durch Präferenzen lockt, genau das Gegenteil bewirkt. ... Fakt ... ist, dass Moskau sich gezwungen sieht, seine keiltreibenden Aktivitäten vom Zentrum an den Südostrand der EU zu verlagern. Das kommt einem Verzweiflungsakt Moskaus gleich, das die zunehmende Geschlossenheit der EU - gerade auch bei den Sanktionen - mehr denn je am eigenen Leib spürt."
Putins taktisches Meisterwerk
Putin hat taktisch geschickt darauf verzichtet, mit einer Ankündigung von Finanzhilfen an Griechenland einen weiteren Keil in die EU zu treiben, analysiert die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore und erkennt zwei Ziele des russischen Präsidenten: "Putin ist vor allem daran interessiert, Griechenland in die Gruppe der Länder einzureihen, die beabsichtigen, wieder mit Moskau zusammen zu arbeiten, wie Zypern oder Ungarn. Sein Ziel ist es, den Kreis so weit wie möglich zu vergrößern und die Aufhebung der Sanktionen zu erreichen - im Juli steht die Verlängerung an. ... Zugleich will er aber die Verbindung zu allen Partnern und Märkten wieder herstellen, die Moskau braucht. Geschickt hat der russische Präsident seine Worte mit Zitaten von Kohl und De Gaulle versehen und auf das Bild eines vom Atlantik bis zum Ural vereinten Europas zurückgegriffen. Es geschah in der Absicht, die Zusammenarbeit zwischen Russland und Griechenland als eine dem Wohl der europäischen Völker zuträgliche Kooperation darzustellen."
Populistenduo will Brüssel ärgern
Inwieweit der russische Präsident und der griechische Premier von ihrem Treffen in Moskau profitieren, beschreibt die linksliberale Süddeutsche Zeitung: "Putin und Tsipras haben beide einen Konflikt mit Brüssel. Putin wegen der Krim-Annexion und des Kriegs im Donbass. Tsipras wegen der griechischen Schulden. Die Chance, Brüssel ein bisschen zu ärgern, vielleicht sogar unter Druck zu setzen, lassen sich die beiden Populisten nicht entgehen. Die Bilder vom Besuch kosten zudem fast nichts und sind trotzdem wertvoll. Sie erwecken den Anschein, Russland sei keineswegs isoliert, Europa dagegen so schwach, dass seine Mitglieder als Bittsteller nach Moskau kommen. Ebenso billig ist die Ausnahme beim russischen Embargo gegen europäische Lebensmittel. Sie treibt den Keil voran, der die Einheit der EU-Staaten in der Sanktionsfrage brechen soll. Das ist Putins kurzfristiges Ziel."
Tsipras pokert gefährlich hoch
Mit der inszenierten Achse Moskau-Athen will die griechische Regierung vor allem die EU-Partner unter Druck setzen, kommentiert die konservative Tageszeitung El Mundo. Doch der Schuss könne auch nach hinten losgehen: "Tsipras droht, die EU-Disziplin in Bezug auf die Sanktionen gegen Moskau zu brechen, und er betont öffentlich, dass Griechenland eine eigenständige Außenpolitik macht. Damit beabsichtigt der griechische Premier, dass die ehemaligen Troika-Institutionen nachgeben. Doch wer das Seil beim Tauziehen immer stärker spannt, geht das Risiko ein, dass es irgendwann reißt. Die europäischen Partner könnten die künstliche Beatmung auch abstellen, mit der sie das Land seit Jahren am Leben erhalten. Ein drohender Grexit schreckt die Märkte längst nicht mehr ab, weil die größten Risiken, die daraus resultieren könnten, bereits abgefedert sind."