EU-Parlament verschiebt TTIP-Debatte
Das EU-Parlament hat am Mittwoch die geplante TTIP-Debatte platzen lassen. Dass es wegen vieler Änderungsanträge keine Abstimmung geben würde, war bereits klar. Nach Tumulten im Plenarsaal entschied Parlamentspräsident Martin Schulz, die Aussprache zu verschieben. Damit hat er die Demokratie ausgehebelt, kritisieren Kommentatoren und sehen die Diskussion um das Freihandelsabkommen zunehmend populistischen Zankereien geopfert.
Schulz missbraucht seine Macht
Der Streit im EU-Parlament dreht sich zwar vordergründig um den Schutz ausländischer Anleger durch private Schiedsgerichte (ISDS), doch eigentlich wollte Parlamentspräsident Martin Schulz EU-Kommission und Bundesregierung unterstützen, vermutet die linke Tageszeitung taz: "Mit einem Verfahrenstrick ('zu viele Änderungsanträge') hat er die Demokratie in Straßburg ausgehebelt. Schulz hat damit einmal mehr seine Macht missbraucht. ... Mit seinem Votum hätte das Parlament eine klare Linie bei den Verhandlungen mit den USA vorgeben können. Doch das passte offenbar nicht in die Agenda eines Politikers, der immer wieder dafür sorgt, dass alles im Sinne von Obergenosse [und Vizekanzler] Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel läuft. ... Bleibt zu hoffen, dass sich die EU-Sozialdemokraten keinen Maulkorb anlegen lassen - und TTIP und ISDS wieder auf die Tagesordnung setzen. Bevor das wichtigste Thema dieser Legislatur auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt wird."
TTIP wird populistisch ausgeschlachtet
Die so wichtige Debatte zu TTIP wird dem Populismus geopfert, klagt die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Die Hauptschuld [an der Verschiebung der Abstimmung] trägt die gespaltene Fraktion der Sozialdemokraten, die für TTIP eintritt, aber bei den umstrittenen Schiedsgerichten für Investoren ein Doppelspiel betrieb. Öffentlich wettern viele Rote - vor allem in Österreich - dagegen, im Handelsausschuss stimmten sie für ein reformiertes Schiedsgericht. Vor der Abstimmung schlossen sich 68 SP-Abgeordnete aber wieder einem Abänderungsantrag von Grünen und Linken an, der das Gegenteil verlangt. Pikant war daran, dass Grüne wie Linksfraktion keinen Hehl draus machten, dass es ihnen darum ging, das gesamte TTIP-Abkommen zu Fall zu bringen, und nicht nur die Schiedsgerichte - alles zum Gaudium der EU-Gegner bei den Rechten. So droht das komplexe Thema TTIP unter die Räder des nackten Populismus zu geraten."
Unklare Signale aus dem EU-Parlament
Irritiert ob der kurzfristig verschobenen Debatte ist die linke Tageszeitung Duma: "Weigert sich da etwa die einzige direkt gewählte EU-Institution, die Besorgnis der europäischen Bürger ernst zu nehmen? Oder bedeutet die Aufschiebung der TTIP-Debatte, dass das EU-Parlament auf den Druck der europäischen Zivilgesellschaft reagiert und entschieden hat, TTIP vorerst einen symbolischen Riegel vorzuschieben, um Änderungsvorschläge auszuarbeiten? Vielleicht fürchtet das Parlament auch, dass bei der Abstimmung über TTIP die wahren Positionen der EU-Abgeordneten ans Tageslicht kommen. Oder dass TTIP abgelehnt wird. Oder stecken hinter der Aufschiebung der Debatte die üblichen taktischen Spielchen und geheimen Absprachen zwischen den Parteien? Wie sollen wir das Handeln der EU-Abgeordneten deuten? Warum haben sie Angst vor einer TTIP-Debatte?"