Assad-Truppen erobern Palmyra zurück
Syriens Präsident Assad hat die Vertreibung der Terrormiliz Islamischer Staat aus der antiken Ruinenstadt Palmyra als bedeutenden Sieg seiner Armee gefeiert. Auch die USA werteten die Rückeroberung als eine positive Entwicklung. Kommentatoren warnen vor dem Erstarken Assads und sehen den Kampf gegen die IS-Miliz als noch längst nicht beendet an.
Siege gegen IS-Miliz Gefahr für Europa
Dass die IS-Terrormiliz versucht sein könnte, die Territorialverluste auf den Schlachtfeldern in Syrien und im Irak mit Anschlägen in Europa zu kompensieren, fürchtet die linksliberale Sonntagszeitung Vasárnapi Hírek:
„Paradoxerweise könnte mit den militärischen Erfolge gegen den Islamischen Staat in Irak und Syrien die Bedrohung für Europa wachsen: Bislang konnte das 'neue Kalifat' junge Muslime mit der Losung rekrutieren, dass die historische Revanche an den Ungläubigen gekommen sei. Deshalb wird die Terrormiliz nun wohl darauf bedacht sein, die militärischen Niederlagen mit Attentaten (und Warnungen) in Europa zu kompensieren. Dies bedeutet, dass wir uns im Kampf gegen den Islamischen Staat in einem schwierigen Stadium befinden. Die Bekämpfung der 'Schläfer' in Europa gestaltet sich als weit kompliziertere Aufgabe als der Krieg gegen die IS-Kämpfer in Syrien und im Irak.“
Möglicher Wendepunkt im Syrienkrieg
Die Eroberung von Palmyra könnte die politische Lösung in Syrien vorantreiben, wenn sie richtig genutzt wird, meint Amin Kammourieh in der libanesischen Tageszeitung an-Nahar:
„Palmyra kehrt unter die Kontrolle des syrischen Regimes zu einer Zeit zurück, in der eine Einigung im Syrienkonflikt immer wahrscheinlicher wird. ... Diese militärische Etappe offenbart zweierlei mögliche Szenarien. Sie kann ein Ansporn für die Opposition sein, sich am laufenden politischen Prozess zu beteiligen. Sie sollte sich allerdings nicht auf der Grundlage des gerade herrschenden militärischen Kräfteverhältnisses beteiligen, sondern auf der Grundlage der Ergebnisse der Genfer Konferenz und der dort ausgehandelten Garantien. Möglich wäre allerdings auch, dass die Eroberer von Palmyra den Sieg als Druckmittel benutzen, um den anderen ihre Sichtweise aufzuzwingen. In diesem Fall wird nicht nur die längst bekannte repressive Lösung in Syrien reproduziert, sondern es wird etwas geschaffen, das viel gefährlicher sein wird als der IS.“
In Palmyra hinterlässt IS tiefe Wunden
Die Zerstörung weltbekannter Kulturgüter im syrischen Palmyra durch die IS-Terrormiliz bedeutet einen großen Verlust, klagt die Regionalzeitung Primorske novice:
„Was in Palmyra geschehen ist, kann man als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnen. Wut und Empörung sind die richtigen Reaktionen darauf. Es wurde nämlich etwas zerstört, was uns allen gehört. Es handelt sich dabei nicht nur um einen Blickfang für Touristen, sondern um den Beweis für die Existenz einer Zivilisation, die Existenz der Vergangenheit. Es wurde etwas zerstört, auf das wir uns stützen können, wenn wir versuchen die Gegenwart sowie uns selbst in der Gegenwart zu verstehen. … Das Heilen dieser Wunden wird Jahrzehnte dauern.“
Ein Tyrann vertreibt den anderen
Die antike Oasenstadt Palmyra wurde durch den Einmarsch von Assads Truppen nicht befreit - es wurde lediglich ein Tyrann von einem anderen vertrieben, konstatiert die spanisch-syrische Bloggerin Leila Nachawati im linken Portal eldiario.es:
„'Bravo Assad!', lobte Londons Bürgermeister Boris Johnson nach Bekanntwerden des Siegs der syrischen Regierung. Dieser sei zwar ein Tyrann, gab Johnson zu, aber er habe Palmyra gerettet. Worauf andere zynisch entgegneten: 'Hoch lebe Mussolini. Er war zwar ein brutaler Diktator, aber die Züge kamen wenigstens pünktlich.' ... Auch wenn heute viele aufatmen, weil sie die Kulturstätte Palmyra aus den Händen des IS befreit wähnen, ist die Einnahme der Stadt durch Assads Truppen für das syrische Volk alles andere als eine Befreiung. Sie leidet seit Jahrzehnten unter dem Terror der Regierung.“
Assads Macht durch Verhandlungen eindämmen
Nach der Wiedereroberung Palmyras ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft auf einen umfassenden Friedensprozess drängt, schreibt die liberale Tageszeitung Expressen:
„Eine Schlussfolgerung ist, dass die Umwelt sich jetzt mindestens genauso für Versöhnungsprozesse in Syrien und Irak engagieren muss, wie bisher auf dem Schlachtfeld. Sonst ist das Risiko hoch, dass der blutbefleckte Diktator Baschar al-Assad und seine iranischen Kumpane eine neue Karte in den Sand zeichnen und die Marginalisierung der Sunni verschärfen. Dann wird die barbarische Gewalt des IS nur in anderer Form wieder auferstehen.“
Moskau festigt Einfluss in Nahost
Die Rückeroberung Palmyras ist vor allem ein Zeichen der Stärke Moskaus im Nahen Osten, meint die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Der Erfolg festigt die russische Kontrolle über weite Teile Syriens, er stärkt aber auch das Selbstbewusstsein von Machthaber Assad, der nun behauptet, er allein bekämpfe in Syrien wirkungsvoll den islamistischen Terror. Er ist nun noch weniger als bisher bereit, bei den Genfer Verhandlungen über einen politischen Übergang einem Kompromiss zuzustimmen. ... Russland hatte vor zwei Wochen seinen Rückzug aus Syrien in der Hoffnung angekündigt, Assads Widerstand gegen eine politische Lösung zu brechen, wie sie Moskau und Washington anstreben; beide wollen, dass Assad geht - die Russen später, die Amerikaner früher. ... Die Rückeroberung von Palmyra hat ... allen demonstriert, dass Russland Assads wichtigste Stütze ist.“
IS schielt schon nach Nordafrika
In Syrien scheint die Terrormiliz IS an Boden zu verlieren, doch damit verlagert sich das Problem nur, warnt die wirtschaftsliberale Tageszeitung Jornal de Negócios:
„Der IS steht momentan von allen Seiten unter Druck. Er beginnt deshalb, sein Operationszentrum nach Libyen zu übertragen und schaut bereits nach Algerien und Tunesien. ... Mit anderen Worten: Der IS hat in Libyen - ein Land, welches immer weiter ins Chaos stürzt - ein Paradies für seinen Kampf gefunden. ... Das zentrale Problem ist, dass der IS mit einem operativen Zentrum in Libyen seine Destabilisierungskampagne in Tunesien und Algerien verstärkt fortsetzen kann. ... Europa wird somit kurzfristig ein riesiges Problem zu bewältigen haben: die totale Destabilisierung der nordafrikanischen Küste, buchstäblich an den Grenzen zum Mittelmeerraum.“
Kampf gegen Terror hat nicht nur eine Front
Militärische Erfolge gegen die IS-Milizen beenden noch längst nicht den Kampf gegen den Terror, mahnt die konservative Tageszeitung Le Figaro:
„Das Nest der Vipern zu treffen, verhindert die giftigen Bisse des IS fern seiner Stützpunkte nicht - dies kann sie sogar noch vervielfachen. Vier Attentate innerhalb eines Jahres in Europa, fünf in der Türkei und das Massaker an Christen, die Ostern feiern, am Sonntagabend in Lahore zeigen uns, dass der Kampf noch lange nicht beendet ist. ... Wir strengen uns an und es verlangt uns einiges ab, im Bereich der Arbeit von Polizei und Überwachungsdiensten von der Defensive zur Offensive überzugehen. Ganz zu schweigen von der ideologischen Konfrontation, in der wir auf dramatische Weise hinterherhinken. Die Rettung des antiken Schatzes von Palmyra ist erst der Anfang des Kampfes.“