Panama Papers: Ein Glanzstück des Journalismus?
Es ist die größte Datenmenge, mit der Journalisten jemals gearbeitet haben: Die Panama Papers über Briefkastenfirmen, in denen Prominente aus aller Welt ihr Geld parken, umfassen rund 2,6 Terabyte Daten. Einige Kommentatoren sprechen deshalb von einer Sternstunde des investigativen Journalismus. Für andere wirft die Herkunft der Daten Fragen auf.
US-Regierung zieht die Fäden bei Enthüllungen
Die US-Regierung steckt hinter dem Datenleck der Panama Papers, glaubt die Tageszeitung Novinar und wendet sich an die Journalisten des Recherche-Netzwerks ICIJ, die die Dokumente an die Öffentlichkeit bringen:
„Ihr solltet selbst mal unter die Lupe genommen werden. Das Beste wäre es sogar, wenn ihr euch selbst mal unter die Lupe nehmt, denn in der ganzen Geschichte seid ihr die Deppen - sei es aus Naivität oder aus wohl überlegtem Kalkül. Hoffentlich ist es Ersteres, obwohl es mit Blick auf die Konsequenzen keine Rolle spielt. Habt ihr überhaupt über die Konsequenzen nachgedacht oder war das nicht Teil der Abmachung? … Glückwunsch zu eurem ersten Erfolg - dem Fall der isländischen Regierung. Es kann ja nicht angehen, dass irgendwelche Insel-Kobolde sich erdreisten, dem Großmaul Edward Snowden Asyl anzubieten. Aber ihr seid ja keine petzenden Einzelgänger wie Snowden, sondern ein ganzes investigatives Konsortium.“
Schleppende Aufklärung in Bulgarien
Die Tageszeitung 24 Chasa hat als einziges bulgarisches Medium Zugang zu den Panama Papers. Für die Tageszeitung Sega ist fraglich, ob die Kollegen die Panama Papers gründlich genug durchforstet haben:
„24 Chasa veröffentlichte die eindeutige Überschrift 'Keine bulgarischen Politiker unter Offshorefirmen-Besitzern'. … Ist das wirklich das Wichtigste, was die bulgarischen Leser wissen wollen? Jeder Journalistikstudent im ersten Semester weiß: Eine Nachricht sagt, was ist und nicht was nicht ist. Die Suche habe keine Namen bulgarischer Eliten hervorgebracht. Ebenso wenig taucht Wladimir Putins Name in den Panama Papers auf, doch die Journalisten, die sie durchforstet haben, sind über den Cellisten Sergej Roldugin dennoch auf Putin gestoßen. Über bulgarische Politiker hingegen soll nichts herauskommen, nur weil sie nicht mit ihrem vollen Namen genannt sind?“
Die Weltgemeinschaft bekommt eine vierte Gewalt
Die Enthüllungen des internationalen Journalistennetzwerks könnten den Grundstein legen für eine neue globale Öffentlichkeit, vermutet die linke Tageszeitung taz:
„Die aktuelle Enthüllung ist nicht die erste des Netzwerks, aber die wahrscheinlich komplexeste, die je von investigativem Journalismus geleistet wurde. Einzelne Redaktionen könnten einen solch gewaltigen Datensatz in seinem globalen Kontext niemals entschlüsseln. Seit einigen Jahren finden Journalisten erfreulicherweise Antworten darauf, wie sie zur vierten Gewalt in einer Weltgemeinschaft aufsteigen können. Zumal die drei anderen Gewalten kaum vorhanden sind. Einen Weltstaat gibt es nicht und da, wo er simuliert wird, auf UN-Ebene oder G-20-Ebene, wird man der weltweiten Steuerflucht nicht Herr. ... Wenigstens für einige Tage wird das Problem der Steueroasen global auf der Tagesordnung stehen. Ein Moment, in dem sich eine allzu oft simulierte Weltöffentlichkeit kurz emanzipiert, also selbst Probleme anprangert und Konsequenzen fordert.“
Zeitungen Garant für investigativen Journalismus
Der Printjournalismus steht wirtschaftlich immens unter Druck, doch ohne ihn stünde die Gesellschaft übel da, ist sich die linksliberale Tageszeitung Novi list sicher:
„Gegenstand dieser Untersuchungen sind allerhöchste Politiker, die in allerhöchsten Tönen auf die Bekämpfung der Korruption schwören. Somit ist klar, dass es diese Geschichte ohne unabhängige Medien nie gegeben hätte. Und auch in dieser 'investigativen Arbeit des Jahrhunderts' haben vor allem Journalisten der Printmedien mitgewirkt, obwohl diese in der größten Krise stecken. Somit hat der Printjournalismus erneut seine Vitalität und Relevanz bewiesen. Und das in einer Zeit, in der er ums nackte Überleben kämpft angesichts der digitalen Welt, in der es nur um Stars und Glitter geht. Diese Affäre ist eine wichtige Botschaft für uns alle: unsere Politiker würden wahrscheinlich in einem Staat ohne freie Medien und freie Journalisten überleben, aber so ein Land wäre kein guter Ort für seine Bürger.“
Auch Enthüllungen sind einseitig
Enthüllungen dienen selten nur der Wahrheitsfindung, gibt die liberale Tageszeitung La Stampa zu bedenken:
„Herzlich willkommen im neuen Krieg, dem Infowar, der mittels Leaks ausgetragen wird. Die Panama Papers sind die perfekte Offensive, ohnegleichen in ihren Ausmaßen, überstiegen sie 1.500 mal die Zahl der Dokumente von Wikileaks von vor sechs Jahren. Warum aber stößt das gigantische Leck auf so großen Anklang? ... Nicht zuletzt, weil man glaubt, dass die Enthüllungen, da sie ohne Mittelsmänner an die Öffentlichkeit gelangen, einen anderen Grad der Reinheit besitzen, dass sie keine zweite Absicht verfolgen. ... Dem ist nicht so. ... Whistleblower mögen häufig in gutem Glauben handeln und gehören geschützt, weil sie von großem Nutzen seien können. Doch sind ihre Enthüllungen mit Vorsicht zu genießen. Denn obwohl der Wahrheitsgehalt ihrer Leaks überprüft worden ist, erhellen sie doch nur eine Seite des Szenarios. Vielleicht genau die, von der jemand Interesse daran hatte, sie uns zu zeigen.“
Die Daten könnten gefälscht sein
Zweifel an der Echtheit der enthüllten Dokumente hegt die linke Tageszeitung Duma:
„Wie können wir wissen, dass diese Millionen Unterlagen authentisch sind? Es ist eine Frage des Vertrauens, wir können es nicht überprüfen. … In der Regel steckt aber in jeder guten Lüge ein großes Stück Wahrheit. Es ist nicht möglich eine so große Datenmenge komplett zu fälschen, aber es ist ohne weiteres möglich, in ein riesiges Konvolut authentischer, jedoch unverfänglicher Dokumente einige hundert E-Mails, Verträge, Rechnungen und sonstige Unterlagen einzupflegen - von Menschen mit den entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten. Theoretisch ist es jedenfalls möglich. Ob es wirklich so war oder nicht, bleibt Glaubenssache.“
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