Flüchtlinge: Versagt die Staatengemeinschaft?
Mehr Menschen als jemals zuvor sind weltweit auf der Flucht: Wie das UN-Flüchtlingswerk UNHCR am Montag mitteilte, mussten im vergangenen Jahr 65,3 Millionen ihre Heimat verlassen. Ein Jahr zuvor waren es 59,5 Millionen. Kommentatoren gehen mit der Staatengemeinschaft hart ins Gericht.
Für Zäune ist Geld da, für Flüchtlinge nicht
Dass so viele Menschen fliehen müssen, zeigt das Versagen der Staatengemeinschaft, kritisiert die Tageszeitung taz:
„[Sie] versagt nicht nur darin, Kriege zu verhindern, einzudämmen oder zu beenden. Sie versagt auch eklatant darin, ihre Folgen zu bewältigen. Seit geraumer Zeit klagen die Hilfsorganisationen über einen 'Syrien-Effekt': Die internationale Aufmerksamkeit gilt dem Großkonflikt im Nahen Osten. Die anderen Krisen, vor allem in Afrika, die ähnlich viel menschliches Leid verursachen, geraten in Vergessenheit. Entsprechend sind weniger Ressourcen für ihre Opfer mobilisierbar. ... Doch die Priorität der Ausgaben liegt heute immer mehr auf der Migrationskontrolle. Während die UN Rekorde bei den Flüchtlingszahlen verzeichnet, kündigt die EU Rekordausgaben an, um eben jene Flüchtlinge mit allen Mitteln aufzuhalten. Für Zäune und Gefängnisse ist das Geld da, das für Hilfe fehlt.“
Schüsse statt Solidarität
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte haben türkische Beamte Sonntagnacht mindestens acht Flüchtlinge an der Grenze zu Syrien erschossen. Ankara wies den Vorwurf zurück. Europa sollte sich nicht auf die Türkei verlassen, drängt Avvenire:
„Die tödlichen Schüsse auf syrische Flüchtlinge werden zum tragischen Symbol des gestrigen Weltflüchtlingstags. ... Die Vereinbarung, welche die EU mit der Türkei getroffen hat, funktioniert nicht. Die bis heute nach Europa umgesiedelten Syrer sind viel zu wenige. Der Deal fordert zudem viele Menschenleben, denn er treibt die Flüchtlinge in Richtung Ägypten und blockiert sie zu Tausenden in einer Art Limbus, der sich von Griechenland bis zu den balkanischen Toren der Festung Europa erstreckt. Eine Vorhölle aus prekären Behelfslagern und ein Paradies für Kriminelle und Menschenhändler. … Angesichts der Flüchtlingszahlen ist der Deal mit Ankara für Europa unehrenhaft. Er zeugt von der politischen Schwäche der EU, von Heuchelei und Uneinigkeit zwischen den Regierungen.“