Fußball heilt Frankreichs Wunden
Obwohl sich die französische Nationalmannschaft ihren Titeltraum nicht erfüllen konnte, hat die während des Turniers gewachsene Begeisterung für die Equipe tricolore dem Gastgeberland gut getan, beobachtet der Politologe Pascal Boniface auf seinem Blog bei Mediapart:
„Frankreich, das durch soziale, wirtschaftliche und Sicherheitsprobleme traumatisierte Land, kann dank seiner Fußballmannschaft endlich wieder lächeln - und das trotz seiner Niederlage im Finale. Natürlich ändert dies nichts an den Grundlagen des Landes, doch erlaubt ihm dies immerhin, optimistischer zu sein und mehr Selbstwertgefühl zu haben. Fußball ist nichts Magisches, man darf jedoch seine heilsame Kraft nicht vergessen. Frankreich ist jetzt schöner als noch am 10. Juni: dank des wunderbaren Erfolgs seiner Fußballmannschaft.“
Portugal muss jetzt am Ball bleiben
Portugal mag zwar Europameister im Fußball sein, doch in der Wirtschaft spielt das Land nach wie vor in einer unteren Liga, erinnert das Jornal de Negócios und warnt vor Überschwang:
„Der EM-Sieg hat unser fragiles kollektives Selbstwertgefühl ein wenig gestützt. ... Doch sollten wir nun den Ball aus den Augen verlieren, kann uns das teuer zu stehen kommen. Der Europameister ist ein kleines peripheres Land der Eurozone, das gerade dem Rettungsprogramm entschlüpft ist - mit einem enormen Schuldenberg, einem angeschlagenen Bankensystem und einer Wirtschaft mit geringem Wachstumspotenzial. ... Für die 'Märkte' sind wir ein gefundenes Fressen - ein Land, das ganz einfach in die Verliererrolle passt. Wir müssen am Ball bleiben und dabei das ganze Spielfeld überblicken. Denn in diesem 'anderen' Spiel werden wir immer die 'Underdogs' sein. Und hier wird uns auch kein Zauberer namens Éder [Torschütze im Finale] retten.“
Zu viel Geld, zu wenig Fußball
Für die Uefa hat sich die mit dem Sieg Portugals beendete Fußball-Europameisterschaft gelohnt, für die Zuschauer weniger, kann Mladá fronta dnes ein gewisses Unbehagen nicht verhehlen:
„Ein Drittel mehr Gewinn klingelt in den Kassen als beim Turnier vor vier Jahren. ... Ganz so eindeutig ist der fußballerische Eindruck nicht, der bleibt. Höchste Anerkennung verdienten sich Mannschaften, die niemand auf dem Zettel hatte. Die Nordiren, die tapferen Albaner, die Ungarn, die Wikinger aus Island mit ihrem Fußballmärchen oder die Waliser, die am Ende einen Bronzeplatz belegten. Es war somit keine langweilige EM, aber große Fußball-Unterhaltung sieht dennoch anders aus. Das Experiment mit mehr Teilnehmern brachte nur durchschnittliche, von viel Taktik geprägte Spiele. Besser wird es aber kaum werden, denkt man an das irre Modell für die EM 2020, die in 13 Ländern ablaufen soll.“
Sport als Chance für die EU
Internationale Sportereignisse könnten die Identifizierung mit Europa vorantreiben, vermutet Der Standard:
„'Nation-Building' ist immer ein schwieriges Unterfangen, und sein emotionaler Teil lässt sich am wenigsten steuern. Aber die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssten sich doch überlegen, wie sie Gemeinschaftsgefühle schaffen können, ohne dabei die Verbundenheit mit dem Heimatland infrage zu stellen oder Feindbilder bezüglich anderer - seien es die USA, Russland oder China - aufzubauen. Der Sport böte dafür einen guten Anfang. Warum kann es im Medaillenspiegel bei den Olympischen Spielen in Rio nicht einen gemeinsamen Eintrag der EU geben? Er würde sicher an der Spitze stehen. Und bei den nächsten Spielen 2020 in Tokio sollte es jenen Athleten, die es wollen, möglich sein, unter der Europafahne anzutreten. Gewinnen sie Gold, ertönt Beethovens mitreißende Melodie.“