Franziskus appelliert an die Jugend
Mit einer Abschlussmesse zum Weltjugendtag vor mehr als einer Million Menschen hat Papst Franziskus am Sonntag seine Polenreise beendet. Er forderte die Jungen auf, die ältere Generation Menschlichkeit zu lehren. Während einigen Kommentatoren die Kritik des Papstes an der polnischen Regierung zu verhalten war, sind andere begeistert von seiner moralischen Integrität.
Alter Mann rüttelt Junge wach
Der Auftritt des Papstes in Polen war rundum gelungen, resümieren die Salzburger Nachrichten:
„Kaum in Krakau gelandet, forderte Franziskus die versammelte Jugend der Welt auf, dem Terror zu trotzen. ... Zugleich hatte es schon etwas Surreales, dass ein 79-jähriges Kirchenoberhaupt meinte, die Jugend der Welt auffordern zu müssen, ihr Sofa zu verlassen, das Smartphone aus der Hand zu legen und zu leben. Eine Zeit zum Reden: Der Papst ermahnte die rechtsnationale, nach autoritärer Herrschaft strebende polnische Regierung öffentlich, ohne dabei das Gastrecht zu missbrauchen. Übermäßiges Machtstreben sei stets von Übel, erklärte Franziskus dem PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński. Und der großen Mehrheit der katholischen Polen, die aus Angst vor Fremden eine Aufnahme von Flüchtlingen ablehnt, erteilte er eine Lehrstunde in Sachen Humanität: Sich dem Nächsten hinzugeben, das sei wahrhaft christlich.“
Soziales Vorbild mit großer moralischer Macht
Junge und alte Menschen sollten sich die Worte des Papstes hinter die Ohren schreiben, findet El Mundo:
„Mit Worten, die alle Verantwortlichen der Welt hören sollten, bat er die Jugendlichen, den Erwachsenen 'mutig zu zeigen, dass es einfacher ist, Brücken zu bauen als Mauern'. Das widerspricht bestimmten politischen Überzeugungen, die sich leider in der westlichen Gesellschaft gerade ausbreiten. ... Franziskus hat von den Jugendlichen eine neue Einstellung gefordert, um die Welt zu ändern. Er kritisierte die, die anscheinend 'frühzeitig in Rente gegangen sind' oder die das Glück damit verwechseln, 'sich aufs Sofa zu legen'. Der Papst ist ein soziales Vorbild. Derzeit hat er wohl die größte moralische Macht, um vor den Gefahren der Gewalt, des Terrorismus und der Fremdenfeindlichkeit zu warnen. Der Weltjugendtag war wie ein Lautsprecher, der seine Botschaft jedem zugetragen hat, egal ob gläubig oder nicht.“
Polen würden nicht mal auf Jesus hören
Franziskus' mahnende Worte werden in Polen nichts bewirken, resümiert mit bitterem Unterton Jarosław Makowski in seinem Blog beim linksliberalen Nachrichtenmagazin Polityka:
„Das Problem ist, dass die Frage, ob Franziskus oder ob seine Worte unsere Politik oder unsere Kirche verbessern, müßig ist. Letztlich ist der Papst nur nach Polen gefahren, um hier seine Arbeit zu erledigen. Und das hat er auch gemacht. Er ist wie jemand, der etwas sät, ohne darauf zu achten, wohin er seine Saat streut. Deshalb muss die wesentliche Frage auch anders lauten: Sind wir bereit, seine Lehren anzunehmen und unser Leben zu ändern? Sind wir bereit, tatsächlich die Botschaft von Franziskus zu hören, um unsere Politik, unsere Kirche und die Art und Weise zu ändern, wie wir miteinander umgehen? Und da sage ich: Selbst wenn hier - auf polnischem Boden - Jesus Christus erscheinen würde, dann würden wir unsere Lebensweise nicht ändern. Wir wären für seine Worte nicht offen.“
Papst hat Polen nicht genug ins Gebet genommen
Der polnischen Regierung und Kirche ins Gewissen zu reden, hat der Papst bei seinem Besuch versäumt, kritisiert der Deutschlandfunk:
„Vor allem die liberalen Katholiken hatten sich gewünscht, dass Franziskus den Polen die Leviten liest. Ihre Hoffnung: Er werde die polnische Kirche dafür tadeln, dass sie sich immer wieder klar an die Seite der rechtskonservativen Regierungspartei PiS stellt. Und er sollte diese Partei PiS, die sich doch katholisch geprägt gibt, zur Aufnahme von muslimischen Flüchtlingen in Polen drängen. Beides unterließ der Papst. ... Er hat es versäumt, den Nationalkatholiken aufzuzeigen, dass sie sich eigentlich außerhalb der katholischen Lehre bewegen. ... Insgesamt hat der Weltjugendtag Polen und Jugendlichen aus aller Welt ... eine tolle Feier beschert - und Europa Momente des Durchatmens nach den vielen so schlimmen Nachrichten. Allerdings hat sich Papst Franziskus in Polen vor allem von seiner bewahrenden Seite gezeigt.“
Papst hält Polen ihre Unsolidarität vor Augen
Papst Franziskus hatte sich vor seiner Abreise nach Polen mit jungen Flüchtlingen getroffen. Das ist eine geistreiche Provokation, lobt der Tagesspiegel:
„So zeigt der Papst denen von der PiS, der vermeintlichen 'Partei für Recht und Gerechtigkeit', was er von ihrer Politik der Zurückweisung hält. Und welche Politik er dem entgegenhält: eine der Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Dass viele, viele Polen zu kommunistischen Zeiten Asyl in westlichen Ländern fanden - als wär’s vergessen. Die Mehrheit lehnt Solidarität mit den Flüchtlingen ab. Franziskus wäscht ihnen auch noch die Füße! Wer wirklich an Nächstenliebe und Barmherzigkeit und an die segensreiche Wirkung einer Kirche der Armen glaubt; wer den Kurs von Offenheit und Öffnung für das Zeichen der Zeit hält, den hat der Papst jetzt zum Bekenntnis herausgefordert.“
Den Polen ihre Dämonen austreiben
In Polen fällt der Appell des Papstes auf taube Ohren, bedauert La Repubblica:
„Die Botschaft des Papstes ist nicht willkommen in diesem Teil des Kontinents, in dem Europafeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit die politische und religiöse Agenda diktieren. Staaten wie Polen, die noch die letzte Rate der Lüge des Realsozialismus bezahlen, stellen dem 'Europa der Rechte und der Freiheit', von dem Bergoglio spricht, ein Europa der Mauern und der Abschiebung gegenüber. Sie hängen ethnisch-religiösen Identitäten nach mit dem Ergebnis, mal neonationalistische, mal populistische Kräfte zu fördern. ... Dieses kranke Herz in einem kranken Europa wartet darauf, geheilt zu werden, nicht von einem Guru, sondern von einem 'tröstenden Exorzisten', der der Kirche und Europa den Dämonen austreibt, der sie dazu bringt, die Flüchtlinge, die vor dem Krieg fliehen, als das Problem anzusehen und nicht den Krieg selbst. “
Franziskus trifft den richtigen Ton
Der Papst hat in Polen die richtigen Worte gefunden, lobt der Kirchenexperte Kazimierz Sowa auf seinem Blog naTemat:
„Er hat beschlossen, die Wogen der Unruhe, des Streits und der Konflikte, die derzeit durch unser Land schwappen, etwas zu glätten. Und das ist ihm hervorragend gelungen. Diejenigen, die starke Worte erwartet haben, sind genauso zufrieden, wie jene, die befürchtet hatten, er könne direkt Salz in unsere Wunden streuen. ... Die stärkste Forderung war natürlich, sich den Flüchtlingen zu öffnen. Dabei hat der Papst klar und eindeutig gesagt: 'Die Bereitschaft zur Aufnahme derer, die vor Kriegen und Hunger fliehen, ist notwendig; Solidarität tut Not mit denjenigen, die ihre Grundrechte verloren haben'.“