Clinton punktet, Trump bleibt im Rennen
Im ersten von drei TV-Duellen hat Hillary Clinton Umfragen zufolge besser abgeschnitten als ihr konservativer Herausforderer Donald Trump. Trump hat sich erneut als untauglich fürs Weiße Haus erwiesen, meinen einige Kommentatoren. Andere finden, dass er mit seinen knappen Botschaften einen guten Eindruck hinterlassen hat.
Clintons erfolgreiches Dauerfeuer
Trump präsentierte sich im TV-Duell als untauglich für das Präsidentenamt, urteilt The New York Times:
„Er wiederholte Unwahrheiten, und er wiederholte sich selbst immer wieder. Seinen Unterstützern wird das natürlich egal sein. Den unentschlossenen Wählern, die die Wahl entscheiden werden, aber nicht. Clinton hat sich mit ruhiger Hand, geduldig und resolut präsentiert. Sie nahm Trump geschickt wegen der fehlenden Transparenz bei seiner Steuererklärung auseinander, als er sich über den Zustand von US-amerikanischen Flughäfen, Straßen, Brücken und Tunnel beklagte. ... Sie stellte ihn besonders für seine Behandlung von Frauen an den Pranger und ließ den leicht reizbaren Trump mit seinen müden Anschuldigungen auflaufen, indem sie sein langes Festhalten an der Lüge um Barack Obamas Geburtsort betonte. Ein defensiver Trump ist langweilig. Das wurde unter Clintons Dauerfeuer klar.“
Trump sah gar nicht so schlecht aus
Der republikanische Präsidentschaftskandidat hat im TV-Duell mit Clinton besser abgeschnitten, als die Umfragen vermuten lassen, glaubt 24 Chasa:
„Hillary Clinton machte einen professionelleren Eindruck als Donald Trump, doch Trumps Waffe, zu reden wie ein Nicht-Politiker, brachte ihm Pluspunkte bei den Menschen, die der politischen Elite überdrüssig sind. Trump hat seine Botschaften, ob man ihnen nun zustimmt oder nicht, gekonnt dargelegt: kurz und knapp, buchstäblich in drei bis vier Worten, zusammengefasst und einprägsam wiederholt. Beide Kandidaten haben im TV-Duell ihre jeweilige Wählerschaft bedient. Was die unmittelbar nach der Debatte veröffentlichten Umfragen angeht, so ist zu bedenken, dass nur die Zuschauer eines bestimmten Fernsehsenders befragt wurden und sie daher kaum als repräsentativ angesehen werden können. Außerdem haben sicherlich mehr Clinton-Anhänger die Debatte gesehen.“
Es geht den Wählern nicht um Fakten
Ein Sieg im TV-Duell bedeutet noch lange keinen Sieg der Präsidentschaftswahlen, weiß Ilta-Sanomat:
„In den ersten Kommentaren und Analysen wurde Clinton rasch zur Siegerin erklärt. In dieser Debatte war sie das sicher auch. Doch in den Analysen wurde vergessen, was bei diesen Präsidentschaftswahlen zählt: Es ist der Protest. Protest gegen die Mächtigen, die Elite der Ostküste, die Politiker und das ganze durch Wirtschaftsprobleme gelähmte System. Ein System, das dem Durchschnittsamerikaner die Möglichkeit genommen hat, seinen amerikanischen Traum zu leben. In diesem Spiel sind Fakten ohne Bedeutung. Es geht um Gefühle, um einen Paukenschlag, dessen Gesicht nun Trump ist - ob man will oder nicht. Ein großer Teil der weißen amerikanischen Wähler würde Trump ungeachtet aller Folgen ins Weiße Haus schicken. … Deshalb kann Trump, der Fakten durcheinanderbringt und in merkwürdige Fettnäpfchen tritt, noch nicht zum Verlierer erklärt werden.“
Trump wäre leicht verwundbar gewesen
Bemerkenswerterweise hat Trump das Duell überlebt, analysiert La Vanguardia:
„Im ersten TV-Duell im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft ist es Hillary Clinton gelungen, ihre eindeutige intellektuelle Überlegenheit gegenüber dem Republikaner Donald Trump und ihre größere politische Erfahrung zu nutzen. Das bestätigen die meisten Umfragen. Die schlechte Nachricht ist, dass es der Kandidatin der Demokraten trotz des auf sie zugeschnittenen Formats nicht gelungen ist, ihren Gegner vernichtend zu schlagen, obwohl er eigentlich leicht verwundbar gewesen wäre und das Präsidentenamt theoretisch nicht zu ihm passt. Vor der Wahl am 8. November bleibt alles offen.“
Von Wirtschaft haben beide keine Ahnung
In Sachen Wirtschaftspolitik haben beide Kandidaten falsch argumentiert, ärgert sich Financial Times:
„Sowohl Trump als auch Clinton hängen der Vorstellung an, dass sichere Arbeitsplätze in Fabrikhallen wie in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit schierer Willenskraft zurückgebracht werden könnten. Doch das ist ein Mythos. Die Ursachen für die Nöte der US-amerikanischen Arbeiterschaft und für die immer ungleichere Verteilung der Früchte des Wachstums sind im eigenen Land zu finden. Washington und nicht Peking legt die US-Steuersätze fest. Die Antworten auf die meisten Herausforderungen des Landes sind in den boomenden Großstädten und Technologie-Zentren im Amerika des 21. Jahrhunderts zu finden. Ausländern die Schuld in die Schuhe zu schieben, mag eine gute Taktik sein. Doch dies könnte zu schrecklichen politischen Maßnahmen führen, die alles nur noch schlimmer machen.“
Clintons Außenpolitik macht Angst
Der außenpolitischen Agenda der Präsidentschaftskandidaten widmet sich Cumhuriyet und sorgt sich, dass Clinton eiskalt für die Vorherrschaft der USA kämpfen wird:
„Clinton ist eine Persönlichkeit, die tun wird, was sie bisher tat. Ihre Agenda ist klar: Sie wird ihr teures liberales Interventionismus-Projekt fortführen, das dem Slogan 'Ausbreitung der Demokratie, Aufbau der Nation' folgt, aber nirgendwo auch nur einen Funken von Wohlstand, sondern im Gegenteil nur Zerstörung brachte. Um die amerikanische Vorherrschaft gegenüber Russland und China fortzuführen, wird Clinton alles versuchen, um das Fortbestehen des mit strukturellen Problemen kämpfenden Finanzsystems zu sichern. Zu ihren Prioritäten gehört ein Regimewechsel in Syrien. Die Einrichtung einer Flugverbotszone würde mehr US-Militärpräsenz bedeuten. Man weiß nicht, ob Clinton mit Russland in einen offenen Krieg treten würde, aber Ereignisse wie der Einmarsch in den Irak 2003 sind nicht vollkommen ausgeschlossen.“
Ein Wahlkampf fern jeder Tradition
Dass es Trump im Kampf ums Weiße Haus überhaupt so weit bringen konnte, zeigt, dass die politische Welt aus den Fugen geraten ist, meint Svenska Dagbladet:
„Mit jeder traditionellen Sicht auf die Dinge wäre Clinton die klare Gewinnerin der Debatte. ... Aber die diesjährige Präsidentschaftswahl hat nichts mit Tradition zu tun. Für jeden, der das TV-Duell gesehen hat, kann Trumps Kandidatur nichts anderes sein als eine Revolte gegen das Establishment. ... Clinton wirkte reifer, verantwortungsbewusster, belesener, erfahrener und rhetorisch geschickter als ihr Kontrahent. Dennoch wird die Debatte nicht als sonderlich großer Sieg für Clinton gewertet. Sicher, ein Sieg, aber kein Erdrutschsieg. Das ist im Grunde ungeheuerlich. Angesichts des Phänomens Trump stellt sich die Frage: Wie groß muss die Verachtung für die politische Klasse inzwischen sein?“
Die geteilten Staaten von Amerika
Das erste TV-Duell erinnert De Morgen ein wenig an Europa:
„Die scharfe Debatte zeigte vor allem ein Bild der Geteilten Vereinigten Staaten. Die sehen plötzlich, ja, europäisch aus. Auf der einen Seite die Favoritin aus dem Establishment mit einem Kurs der Mitte, die sich nach US-amerikanischen Maßstäben ungewöhnlich nach links bewegt. ... Aber auch Donald Trump kommt sehr europäisch rüber als rechts-populistischer Herausforderer des Anti-Establishment, der allen sozial-ökonomischen Unfrieden und das kulturelle Unbehagen innerhalb der Bevölkerungsschichten aufsaugt mit Versprechen, die in alle Richtungen gehen. ... Von den beiden polarisierenden und nicht perfekten Kandidaten ist Hillary Clinton am geeignetsten als Commander-in-Chief.“
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