Rom und Brüssel zanken vor Referendum
Am 4. Dezember stimmt Italien über die Verfassungsreform ab. Premier Renzi bezeichnete in dieser Woche die Austeritätspolitik der EU-Kommission als selbstmörderisch, diese hatte dem Land zuvor einen erneuten Verstoß gegen den EU-Stabilitätspakt attestiert. Muss Brüssel Renzi entgegen kommen, damit er das Referendum nicht verliert?
Premier versucht es mit dem Feindbild
Mit der Attacke gegen die EU-Kommission ändert Renzi seine Strategie vor dem Referendum Anfang Dezember, beobachtet La Stampa:
„Je mehr Maßnahmen Renzi ersonnen hat, die Millionen Bürgern entgegen kommen, umso weniger hat sich in den Umfragen getan. Rentenerhöhung und Weihnachtsgeld für über zwei Millionen Rentner? Reduzierung der Steuerbußen? ... Wenn diese Maßnahmen überhaupt etwas bewirkt haben, sind die Ergebnisse nicht quantifizierbar. Nach zwei Monaten Wahlkampagne scheint der Vorrat an positiven Botschaften erschöpft. Die Überzeugungskraft Renzis scheint an Glaubwürdigkeit und Biss verloren zu haben. Liegt es an einer Überdosis von übertriebenem Optimismus? Oder an einer Welle der Antipathie gegen Renzi? In Erwartung konkreter Antworten, die die Urnen des Referendums geben werden, hat der Premier eine Entscheidung gefällt. ... Er verwandelt die positive Botschaft in eine Forderung an einen Feind: das egoistische und bürokratische Europa.“
EU macht Renzi Wahlkampfgeschenke
Renzi kann vom Zank mit der EU-Kommission profitieren - auch weil diese kein Interesse daran hat, den Disput auszufechten, beobachtet die Süddeutsche Zeitung:
„Der italienische Premier benutzt Juncker als Feindbild, um Stimmen für das wichtige Verfassungsreferendum im Dezember zu sammeln. Das Brüssel-Bashing kommt bei den Wählern gut an. Und auch Juncker hat ein Interesse daran, dass Renzi die Abstimmung gewinnt. Kein Wunder also, dass die EU-Kommission die Kriterien des Stabilitätspakts für Italien so flexibel auslegt, dass es mit dessen Glaubwürdigkeit nicht mehr weit her ist. Selbst wenn dies in Berlin kritisiert wird, so weiß man auch dort, was die Kanzlerin an Renzi hat: einen Verbündeten, der nach einem Sieg beim Referendum wie kein Zweiter unter den Staats- und Regierungschefs für Europa kämpfen wird. So jemanden braucht die EU in der Auseinandersetzung mit jenen Populisten, die Brüssel wirklich angreifen.“
Brüsseler Sturheit lässt Populisten erstarken
Wenn Regierungschef Renzi mit seinem Verfassungsreferendum scheitert, dann liegt das auch an den vielen Hürden, die ihm die EU in den Weg gelegt hat, klagt The Irish Independent:
„Das Referendum in Italien kann als ein weiterer Dominostein in einem Jahr voller fallender Dominosteine gesehen werden. Zuerst hatten wir den Brexit, dann Trump. Und nach Italien kommt auf Europa schon der nächste große Stein zu: der mögliche Aufstieg Marine Le Pens in Frankreich. ... Renzi, ein Mann der EU, bat um eine Lockerung der Haushaltsregeln, doch Deutschland legte ein Veto ein. Renzi bat darum, seine kriselnden Pleitebanken retten zu dürfen, doch Deutschland weigerte sich. Nun steht Italien knapp davor, Le Pen in Frankreich zu stärken. Und wer ist schuld daran? Sicher nicht die Italiener, die ihrem demokratischen Willen Ausdruck verleihen werden, sondern die EU-Funktionäre, die nicht auf Renzi, ihren römischen Gesandten hörten, als dieser Hilfe suchte.“