Italien droht mit Veto gegen EU-Haushalt
Zwischen Rom und Brüssel ist ein Streit über Italiens Budget entbrannt. Rom möchte sich stärker verschulden als ursprünglich geplant und begründet dies mit der Aufnahme von Flüchtlingen und dem Erbeben im August. Auf kritische Nachfragen aus Brüssel reagierte Premier Matteo Renzi nun mit der Drohung, den EU-Haushalt 2017 zu blockieren. Ist Renzis Konfrontationskurs gerechtfertigt?
Sparzwang würde Erholung zunichtemachen
Italien braucht momentan noch eine expansive Fiskalpolitik, verteidigt Financial Times Italiens Premier Renzi:
„Die Position der EU-Kommission verdient zumindest ein gewisses Maß an Verständnis. Wieder einmal hat sie die Aufgabe, eine Reihe finanzpolitischer Regeln durchzusetzen, die seit ihrer Erfindung missachtet worden sind. Italiens Trotzhaltung wird die Kommission kaum überraschen. Ein Land nach dem anderen hat diese an den Tag gelegt, darunter Deutschland in den frühen Jahren des Euro. Dennoch wäre es in diesem Fall die richtige Entscheidung, wieder eine Regierung aus der Verantwortung zu nehmen. Italien, das vor einigen Jahren noch kurz vor einer großen Schuldenkrise stand, scheint sich etwas erholt zu haben - und eine unterstützende Fiskalpolitik hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Regierungschef Matteo Renzi hat Recht. Ein verfrühter Versuch, das Budgetdefizit zu verringern, wäre kontraproduktiv.“
Keine Extrawurst für Rom
Rom wäre gut beraten, keine Sonderbehandlung zu fordern, mahnt Il Sole 24 Ore:
„Europa kann strukturelle Probleme und wachsende Divergenzen, die sich in der Eurozone trotz der expansiven Geldpolitik der EZB manifestieren, nicht ignorieren. Flexibilität kann keine dauerhafte Politik werden - nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil verhindert werden muss, dass das gegenseitige Misstrauen im Euroclub und die Ungleichheiten noch größer werden. Flexibilität muss ein zeitlich begrenztes und außergewöhnliches Instrument bleiben. Vor allem, wenn man sich vor Augen führt, dass zwei christdemokratische Politiker peripherer Länder, im Norden der Ire Enda Kenny und im Süden der Spanier Mariano Rajoy, trotz der Sparzwänge, die sie ihren Ländern auferlegt haben, an der Macht geblieben sind - allem Populismus zum Hohn. Und erst recht, wenn man sich klar macht, dass Griechenland und Portugal, zwei Länder mit radikal linken Regierungen, den Kurs der Haushaltssanierung strikt einhalten.“
Italien ist Europas größtes Sorgenkind
Eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Italien könnte ganz Europa in eine neue Krise stürzen, warnt The Irish Independent:
„Italiens Wirtschaft wuchs im Jahrzehnt vor dem globalen Zusammenbruch 2008 kaum. Die Krise des Landes im Anschluss war eine der schlimmsten in Europa. Von einem Wirtschaftsaufschwung kann derzeit kaum die Rede sein. Wenig deutet darauf hin, dass Italiens Schwächeln bald vorbei sein könnte. Im Gegenteil, viel deutet auf eine weitere Verschlechterung hin. Wenn die italienischen Wähler die weitgehende Verfassungsreform mit dem Referendum Anfang Dezember ablehnen, könnte die politische Situation die Wirtschaft weiter schwächen. Eine derzeit kleine, aber akute Bankenkrise und ein öffentlicher Schuldenstand, der zu den höchsten weltweit zählt, machen den Ausblick düster. Wenn Italien ein Schicksal wie Griechenland erleidet - und das ist absolut möglich -, stecken wir alle in großen Schwierigkeiten.“