Könnte Trump über Comey-Entlassung stolpern?
Der Druck auf US-Präsident Donald Trump wächst. Nachdem er überraschend FBI-Direktor James Comey entlassen hat, mehren sich die Vorwürfe, der Präsident wolle Ermittlungen zu Russlandverbindungen seines Wahlkampfteams behindern. Trumps Glaubwürdigkeit ist endgültig dahin, fürchten Kommentatoren.
Schlimmer als Watergate
Donald Trump steuert die USA in eine tiefe Krise, warnt Večernji list:
„In den USA bricht nach dem Rausschmiss Comeys erneut eine Welle der Verunsicherung und Besorgnis darüber aus, ob Donald Trump ein verlässlicher Präsident ist und über ausreichend mentale Stabilität verfügt, um an der Spitze einer Großmacht wie den Vereinigten Staaten zu stehen. Comeys Kündigung kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Präsident vollkommen unberechenbar und unzuverlässig ist. Noam Chomsky, ein angesehener Intellektueller, Linguist und Philosoph, bezeichnete Trumps Republikanische Partei als gefährlichste Organisation in der Menschheitsgeschichte. Dieser Skandal ist viel schlimmer als Watergate, die Affäre, die einst Nixon zum Rücktritt zwang.“
Nächster FBI-Chef zwangsläufig unglaubwürdig
Wer auch immer als Comey-Nachfolger eingesetzt wird, er oder sie wird stets als Lakai Trumps gesehen werden, meint The Irish Examiner:
„Es ist höchst beunruhigend, dass ein US-Präsident, gegen dessen Regierung bereits in mehreren Fällen Untersuchungen laufen, einen solchen Weg geht. Wer auch immer als neuer FBI-Chef oder als neue FBI-Chefin bestellt wird, wird den Anschein erwecken, dem Präsidenten verpflichtet zu sein, der ihn oder sie eingesetzt hat. Das wiederum wird jede Entscheidung, von einer Untersuchung gegen den Präsidenten abzusehen, politisch motiviert und inkorrekt erscheinen lassen. Die Aushöhlung der Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden ist daher ein Schlag gegen das ungeschriebene verfassungsmäßige Prinzip der politischen Neutralität. Man kann zwar nicht von einer Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung sprechen, doch sehr wohl vom Bruch einer Regel, die auf ihre eigene Art beinahe ebenso bedeutend ist.“
Alternative Fakten, windige Wahrheiten
Zunächst hatte Trump gesagt, er habe den FBI-Chef auf Empfehlung des US-Justizministeriums entlassen. Dann widersprach er in einem Interview den offiziellen Entlassungsgründen und sagte, den Rauswurf habe er ganz allein entschieden. Einen zu lockeren Umgang mit der Wahrheit im Weißen Haus kritisiert Corriere della Sera:
„Trump ist dabei, die Art und Weise der Politik und der Kommunikation des Weißen Hauses zu revolutionieren. Mit bedenkenlosen Tweets und aus der Luft gegriffenen Behauptungen, die Trumps Beraterin, Kellyanne Conway, dann eben mittels der Definition der 'alternativen Fakten' zu rechtfertigen versucht. ... Doch in einem so gravierenden wie nahezu beispiellosen Fall wie der Entlassung des FBI-Chefs ist es dem Weißen Haus gelungen, sich selbst zu übertreffen, indem es eine sofort unglaubwürdig erscheinende Begründung für die Entlassung von James Comey flugs am folgenden Tag durch eine neue Version ersetzte.“
Der Präsident schadet der Demokratie
Mit Comeys Entlassung untergräbt der US-Präsident weiter die Demokratie, empört sich NRC Handelsblad:
„Trump kann jetzt einen Nachfolger ernennen, der befugt ist, die Russland-Ermittlungen zu stoppen. Der Vorschlag für den neuen FBI-Chef kommt ausgerechnet von Jeff Sessions, dem Justizminister, der sich zuvor aus den Russland-Ermittlungen zurückziehen musste, weil er selbst Treffen mit dem russischen Botschafter verschwiegen hatte. ... Die Entlassung von Comey ist ein taktischer Fehler, weil er Misstrauen nährt. Noch alarmierender ist dabei, welche Verachtung des demokratischen Systems Trump wieder einmal an den Tag legt. ... Nun muss man sich fragen, wie wehrhaft die amerikanische Demokratie ist. Wenn Trumps Parteigenossen aus Angst um die Macht zur Tagesordnung übergehen, ist das ein Sieg des Zynismus. Wenn sie aber einem Sonderermittler zur Russlandaffäre zustimmen, können sie der Demokratie und dem Image der Vereinigten Staaten doch noch einen Dienst erweisen.“
Trump in Nixons Fußstapfen
Der Fall des früheren Präsidenten Nixon sollte Trump eigentlich eine Warnung sein, bemerkt El Periódico de Catalunya:
„Im Weißen Haus gibt es Stimmen, die ein Ende der Ermittlungen zu den immer heftigeren Verdächtigungen in der Russlandaffäre fordern. Aber es ist im Gegenteil dringend notwendig, mit aller Ernsthaftigkeit zu prüfen, was an den bisherigen Vorwürfen dran ist. Sollte der Fall - mit all seinen merkwürdigen, die nationale Sicherheit der USA berührenden Aspekten - jetzt ad acta gelegt werden, würde das lediglich das Misstrauen und die Unsicherheit verstärken. Auch Nixon wollte die Watergate-Affäre unter den Teppich kehren. Und sieben Monate nachdem er denjenigen entlassen hatte, der gegen ihn ermittelte, musste der Präsident das Weiße Haus verlassen.“
Ein riskanter Schritt
Nun droht Trump auch Gegenwind aus den Reihen der Republikaner, prophezeit Helsingin Sanomat:
„Es geht jetzt nicht mehr nur um die Aufklärung von Einflussversuchen und Abhängigkeiten, sondern um das Fundament des US-amerikanischen Rechtsstaats. Viele Republikaner haben sich bereits über die Aktivitäten der Russen in Trumps Wahlkampf gewundert. Doch sein Versuch, eine behördliche Untersuchung zu unterbinden, überschreitet nun bei einigen von ihnen die Grenze der Toleranz. Der Druck auf Trump, eine unabhängige Untersuchung der Russlandaffäre zuzulassen, wächst. Und gleichzeitig steigen die Spannungen zwischen einflussreichen republikanischen Senatoren und Trump. Der Präsident ist sowohl in der Außenpolitik als auch bei Ernennungen vom Senat abhängig. Die Republikaner haben im Senat aber nur eine knappe Mehrheit. Wenn sich jetzt die allgemeine Stimmung stärker gegen Trump wendet, könnten auch Senatoren eher bereit sein, sich gegen ihn zu stellen.“
So hält man seine Anhänger bei Laune
Mit der Entlassung Comeys inszeniert sich Trump einmal mehr als schlagkräftiger Macher, höhnt The Irish Times:
„Trump hat versprochen, dass von einem Tag auf den anderen endlich etwas geschieht: Millionen illegaler Einwanderer werden am ersten Tag seiner Amtszeit verhaftet. Muslimen wird die Einreise in die USA verwehrt. Eine schöne große Mauer erhebt sich am Rio Grande. Nur wollte die Realität seinen Befehlen nicht so recht Folge leisten. Trump und seine Anhänger brauchten einen Zuckerschub, einen berauschenden Erfolg, ein schnelles High. Trump hat stets instinktiv darauf gesetzt, dass es seine Fans glücklich machen wird, indirekt durch ihn zu leben. Seine Selbstbelohnung befriedigt auch die Wünsche seiner Fans. Für sie ist Trump so etwas wie die Erfüllung ihrer Sehnsucht: Ein Mann mit schrankenloser Macht, der sich nicht an die Regeln halten muss und der nach Lust und Laune jede und jeden entweder begrapschen oder feuern kann.“