Euro-Reform in kleinen Schritten
Die EU-Kommission hat Pläne zur Neuregelung der Eurozone vorgelegt. Damit sollen die in der Finanzkrise geschaffenen Notmechanismen durch Reformen ersetzt werden. Um Streit zu vermeiden, will Brüssel die Diskussion um einen Euro-Finanzminister mit Etat zunächst ausklammern. Europäische Schuldscheine mit noch unklarer Funktionsweise schlägt sie schon jetzt vor. Setzt die EU-Kommission die richtigen Prioritäten?
Solidarität allein reicht nicht
Dass die EU-Kommission nun über eine Reform der Eurozone nachdenkt, ist gerechtfertigt, lobt De Volkskrant:
„Brüssel setzt in den Vorschlägen vor allem auf Solidarität [zwischen dem reichen Norden und dem ärmeren Süden]. ... Doch das wird den Euro in nordeuropäischen Ländern nicht populärer machen und am Ende erneut für politische Instabilität sorgen. Um den südeuropäischen Ländern finanzielle Disziplin beizubringen, ist es unvermeidlich, dass Europa auch über automatische Sanktionen nachdenkt. Die Euroländer können nur näher zusammenrücken, wenn sie auch bereit sind, Staaten, die die Absprachen verletzen, zumindest vorübergehend aus dem Euro zu werfen, sodass deren Währung abgewertet werden kann.“
So wird es nichts mit der Rettung der Eurozone
Für die taz sind die Vorschläge der EU-Kommission geradezu weltfremd:
„Bis 2025 will man langsam ein paar kleine Änderungen vornehmen. Dabei wäre es ein Wunder, wenn die Eurozone 2025 noch existierte, falls das Reformtempo so dröge bleibt. ... Immerhin wagt sich die EU-Kommission an ein Tabuthema heran. Sie fordert, dass die Euroländer ihre Schulden gemeinsam aufnehmen - also Eurobonds ausgeben. Allerdings hütet sich die EU-Kommission wohlweislich, das Wort 'Eurobonds' zu benutzen - und es soll auch nur einen Bruchteil der Staatsanleihen betreffen. Zu groß ist die Angst in Brüssel, die Deutschen zu verärgern, die auf der 'Eigenverantwortung' der Länder bestehen. Das Konzept 'Eigenverantwortung' klingt zwar fair, sprengt aber die Eurozone von innen. ... Das reiche Deutschland wird reicher, während der Rest verliert. So kann die Eurozone nicht funktionieren. Noch nicht einmal bis 2025.“
Zukunft der Währungsunion verlangt Vertrauen
Wichtiger als neue Regeln für den Euro ist der Aufbau von Vertrauen zwischen den Mitgliedern der Eurozone, findet Kathimerini:
„Warum ist Griechenland immer wieder ein Außenseiter? Wie können wir so tun, als sei alles gut mit dem Euro? In den letzten Jahren wurden viele Fehler gemacht, sowohl von Seiten der Gläubiger, als auch von Seiten Griechenlands. Der Mangel an Vertrauen zwischen beiden Seiten jedoch war das größte Problem. Diejenigen, die die Zukunft Europas entwerfen, sollten einen Vorschlag machen, wie diese Wunde geheilt werden kann. Da jede Partnerschaft aus mehr als nur aus Regeln und Vorschriften besteht, muss sie in der Lage sein, Glauben und Hoffnung zu wecken.“
Wenig Konkretes im Superwahljahr
Für den Deutschlandfunk sind die Vorschläge lediglich ein bunter Strauß von Ideen, die zu unkonkret bleiben:
„Das ist natürlich der politischen Realität geschuldet. Solange nicht klar ist, wie stark der neue französische Präsident Emmanuel Macron nach den Parlamentswahlen wirklich ist und solange die Bundestagswahlen nicht vorbei sind, bleibt die Kommission in der Deckung. Zumal gleichzeitig auch noch in den Hauptstädten intensiv an Reformplänen gefeilt wird. Diesen Prozess will und muss die Kommission mit berücksichtigen. Damit aber wird der heutige Vorstoß entwertet. Erschwerend kommt hinzu, dass viele der Ideen nicht wirklich neu sind. Von neuen Impulsen für die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion kann somit keine Rede sein. Dabei wäre eine ehrliche Debatte längst überfällig.“
Union schüttelt Angst ab
Bei aller berechtigten Kritik wird doch deutlich, dass Europa wieder mutig in die Zukunft blickt, lobt hingegen De Standaard:
„Der Weg ist noch weit. Der Plan erfordert Solidarität und eine Einschränkung der Souveränität. ... Der Vergleich mit aneinander gekoppelten Bergsteigern liegt nahe. Wer unterwegs stolpert, muss aufgefangen werden. Aber jeder Teilnehmer hat auch die Pflicht, fit und gut vorbereitet die Bergbesteigung zu starten. Wir können meckern über Dinge, die fehlen. ... Auch darüber, dass die Pläne nichts wert sind, wenn die verschiedenen Mitgliedsstaaten ihn nicht eindeutig mittragen werden. Aber zumindest scheinen nun die düsteren Visionen von der Union nach dem Brexit vorbei. Zum Zeitpunkt, an dem die USA und Großbritannien sich auf ihre eigene Scholle zurückziehen, muss ein vereintes Europa auch beweisen, dass das der falsche Weg ist.“
Richtiger Zeitpunkt für große Reform
Warum jetzt der perfekte Moment für eine Reform der Eurozone gekommen ist, erläutert 24 Chasa:
„Die EU-Kommission hat schon lange Reformideen vorgebracht, doch sie scheiterten stets am Widerstand Großbritanniens, dem Unwillen Deutschlands, der Schwäche der Regierung in Frankreich und den Euroskeptikern, die nach der Finanzkrise Aufwind bekamen. Jetzt eröffnet sich eine einzigartige Gelegenheit. Einerseits braucht es nach dem Schock des Brexits Veränderungen, andererseits eröffnet die Wahl von Macron einen Spielraum für Reformen sowohl in Frankreich als auch in Europa. Die Staatsdefizite der EU-Länder sind zurückgegangen und fast alle halten sich an die Finanzdisziplin, was auf Deutschland beruhigend wirken sollte. Nicht zuletzt verzeichnet die EU ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze.“
Staaten ohne Euro werden in der EU abgehängt
Sollte die Eurozone einen eigenen Haushalt bekommen, wäre das für Polen eine schlechte Nachricht, meint Gazeta Wyborcza:
„Wenn beide Budgets gleichzeitig verhandelt werden [der bisherige EU-Haushalt und der Eurozonen-Haushalt] steigt das Risiko, dass die Mittel für den zukünftigen Euro-Haushalt aus der gemeinsamen Kasse der gesamten EU genommen werden, deren Hauptempfänger Polen ist. … Es stellt sich die Frage, ob der deutsche oder französische Steuerzahler es vielleicht vorzieht, in Ländern wie Portugal zu investieren, die das Schicksal der gemeinsamen Währung direkt beeinflussen. Oder ob er sich für ein solidarisches Teilen des Geldes zwischen den Euro- und Nicht-Euroländern entscheidet, also auch mit Polen und Ungarn, die viel Geld aus Brüssel beziehen aber Empfehlungen der Kommission in Fragen der Rechtsstaatlichkeit missachten.“