Korrigiert die EZB ihre Zinspolitik?
EZB-Chef Draghi hat deutlich gemacht, dass die EZB nach Jahren der lockeren Geldpolitik keine weiteren Zinssenkungen plant. Der Leitzins bleibt vorerst aber unverändert bei null Prozent. Einige Kommentatoren kritisieren die Entscheidungsschwäche der Notenbank. Andere können ihre Vorsicht nachvollziehen.
EZB löscht weiter, obwohl es nicht mehr brennt
Mit dem neuerlichen Verzicht auf eine Erhöhung des Leitzinses offenbart die EZB Entscheidungsschwäche, kritisiert Der Standard:
„In dieser Phase wäre ein Signal wichtig gewesen, dass die Eurozone die jahrelange Krise weitgehend ausgestanden hat. ... Noch gut in Erinnerung ist der Feuerwehreinsatz eines hemdsärmelig wirkenden Mario Draghi - Stichwort 'whatever it takes' -, als er Mitte 2012 in ihrer bisher schwersten Stunde um das Bestehen der Eurozone gekämpft hatte. Er tat das damals mit Erfolg. Doch wenn es um die schrittweise Normalisierung der Geldpolitik geht, wirken er und die Ratsmitglieder zögerlich bis geradezu entscheidungsschwach. Es entsteht das Bild, als würde die Feuerwehr unbeirrt weiterlöschen, obwohl die Handwerker längst begonnen haben, die Brandschäden am Gebäude zu sanieren.“
Draghis Vorsicht ist verständlich
Dass die EZB sich noch nicht von ihrer ultralockeren Geldpolitik verabschiedet, hat laut Les Echos zwei Gründe:
„Der erste ist die Inflation. ... Das Wachstum ist zurück, nicht jedoch der Anstieg der Preise, bereinigt man diesen von Schwankungseffekten (Ölpreis, Nahrungsmittelpreise ...). Klar, dass das der EZB Sorgen bereitet. Ihre Hauptaufgabe besteht ja darin, die Inflation auf einem Niveau um die zwei Prozent zu stabilisieren. Der zweite Grund ist - auch wenn Draghi das nicht zugeben darf - der vollgepackte Wahlkalender in Europa. In Frankreich wurde das Schlimmste verhindert, doch die Parlamentswahlen stehen noch an. Von deren Ausgang wird Macrons Reformfähigkeit abhängen. Außerdem stehen im Herbst noch zwei weitere wichtige Wahltermine auf dem Programm: Deutschland und Italien. Die Couleur der Regierungen (oder Koalitionen) der beiden Länder wird die politische Zukunft der Eurozone bestimmen.“