Schäuble verlässt die Finanzpolitik
Der bisherige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble soll in Zukunft dem Bundestag vorstehen. Obwohl er als Wächter über die Sparmaßnahmen in der Wirtschaftskrise vielen Südeuropäern zur Hassfigur wurde, wird man seine Erfahrung und Prinzipientreue schon bald missen, glauben Kommentatoren aus Italien und Portugal.
Selbst Gegner werden ihn vermissen
Mit Schäuble verlässt eine finanzpolitische Schlüsselfigur die europäische Bühne, bedauert Il Sole 24 Ore:
„Vor allem bei den Ländern am Rand der Eurozone galt er zwar als Symbol einer unbarmherzigen Sparpolitik, doch dank seiner Persönlichkeit und seiner Erfahrung - ganz zu schweigen von dem Respekt, den er in Deutschland und unter seinen europäischen Kollegen genoss - kam ihm bei allen Entscheidungen eine Schlüsselrolle zu. … Als überzeugter Europäer wird es ihn sicherlich schmerzen, nicht mehr aktiv an dieser neuen, vom französischen Präsidenten Macron angestoßenen Evolutionsphase der Eurozone teilnehmen zu können, die mit der Schaffung eines eigenen Haushalts und eines eigenen Finanzministers auf einen Weg gehen könnte, der von ihm inspiriert wurde.“
Schäuble stritt wenigstens für Europa
Während der EU-Krise war Schäuble für viele Portugiesen ein rotes Tuch, erinnert Público. Doch könnte es jetzt noch schlimmer kommen:
„Seine harte Haltung gegenüber dem ökonomischen und menschlichen Drama in Südeuropa und sein calvinistischer Diskurs, der die Krise mit einer vermeintlichen moralischen und gesellschaftlichen Unterlegenheit eines laxen und nachlässigen Südeuropas erklärte, machten Schäuble zur idealen Zielscheibe. ... Doch statt einer Erleichterung provoziert sein Abgang ein seltsames Gefühl der Zukunftsangst. ... Im Vergleich zu einem möglichen Nachfolger aus den Reihen der FDP hatte Schäuble zumindest den Vorzug, ein Pro-Europäer auf der Linie Kohls zu sein und einer Generation anzugehören, die sich verpflichtet hat, ein europäisches Deutschland zu schaffen, nicht ein deutsches Europa.“