Wie bedrohlich ist die Neue Rechte?
Die Bilder der Demonstration zum polnischen Unabhängigkeitstag zeigen eine Masse in schwarz gekleideter Menschen, die Feuerwerkskörper zünden sowie rassistische und antisemitische Parolen skandieren. Obwohl in dieser Woche diese martialischen Bilder vorherrschen, hat die Rechte eigentlich ihren Stil verändert, beobachten Kommentatoren - und ist dadurch nicht minder gefährlich geworden.
Verführer in Maßanzügen
Einen Wandel des Habitus von extremen Rechten beobachtet der Chefredakteur der New York Review of Books, Ian Buruma, in Eesti Päevaleht:
„Noch vor kurzem hatten die Rechtsextremisten keinerlei Prestige. Die kollektive Erinnerung der Gesellschaften an die faschistischen Grausamkeiten der Nazis stellte diese Männer (es gab kaum Frauen) an den Rand der Gesellschaft, wie die Betreiber von Pornokinos. ... Das hat sich geändert. Die jüngeren Rechtsextremen erinnern mit ihren maßgefertigten Anzügen an die faschistischen Dandys der Vorkriegszeit in Frankreich oder Italien. Sie heizen den Massen nicht mit aufrührerischen Reden ein, sondern unterhalten sich eloquent in Radio und Fernsehen und nutzen geschickt die sozialen Medien. ... Diese neuen Modelle der Rechten sind salonfähig.“
Spuk greift auf Westeuropa über
Die Neue Rechte gewinnt auch in Westeuropa an Einfluss, fürchtet Autor Abdelkader Benali in seiner Kolumne in Trouw:
„Ein Gespenst geht um in Europa. Es ist das Gespenst der Neuen Rechten. Es ist nicht neu, es schlummerte seit dem Fall der Mauer und der Öffnung der Grenzen in den verbitterten Bürgern von Mittel- und Osteuropa. Es breitet sich auch über Westeuropa aus, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Ultranationalisten genug Kraft gesammelt haben, um in der europäischen Politik politische Macht zu gewinnen. Diese Bewegungen fühlen sich stärker ihrem nationalen Erbe verbunden als Brüssel. ... Hinter allen Ressentiments verbirgt sich eine ideologische Abkehr von den Errungenschaften, die der westliche Kapitalismus mit den offenen Grenzen, der individuellen Selbstentfaltung und dem freien Markt gebracht hat.“
Rassismus ist die wahre Gefahr
Dass Regierungen in Polen und anderen mittel- und osteuropäischen Ländern Rechtsextremisten hofieren, alarmiert The Irish Times:
„Die Rhetorik der Regierung in Warschau tendiert dazu, Flüchtlinge, Terrorismus und Islam in einen Topf zu werfen und als Bedrohung für polnische Werte darzustellen. Ähnliches ist in Ungarn, Österreich und Tschechien zu hören. ... US-Präsident Donald Trump warf in seiner Rede in Warschau im vergangenen Juli die Frage auf, ob der Westen genug Willensstärke habe, um gegen den Islam bestehen zu können. Seine Frage ist völlig fehlgeleitet. Europäische und westliche Werte sind viel eher durch eine Islamfeindlichkeit bedroht, die von rechtsextremen Bewegungen geschürt und von nationalistischen und populistischen Politikern gefördert wird. Dieser neue Rassismus ist die wahre Bedrohung für Europas liberale Ordnung.“