Streit über innerirische Grenze spitzt sich zu

Der Konflikt um die innerirische Grenze hat sich am Wochenende verhärtet. Irlands EU-Kommissar Phil Hogan drängte London, nach dem Brexit Mitglied der Zollunion und des Binnenmarktes zu bleiben. Großbritanniens Handelsminister Liam Fox lehnte beides vehement ab. Dublin droht, die Brexit-Verhandlungen zu blockieren, wenn London keine Zusage für eine offene Grenze macht. Was steht auf dem Spiel?

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The Daily Telegraph (GB) /

Wähler sollen über Nordirlands Zukunft abstimmen

Wie weit sich die Provinz von der EU und damit von der Republik Irland wegbewegt, sollte nicht von London, Dublin oder gar Brüssel bestimmt werden, meint The Daily Telegraph:

„Die Nordiren selbst sollten wählen, ob sie sich an die Regeln der EU oder jene Großbritanniens halten wollen. Wobei sie im zweiten Fall riskieren, dass die Republik Irland Handelsbarrieren errichtet. ... Strenge Verfechter der britischen Union werden einwenden, dass den Nordiren [mit einer solchen Wahl] allzu weitreichende Zugeständnisse innerhalb Großbritanniens gemacht werden und der Sonderstatus der Region zementiert wird. Doch das Karfreitags-Friedensabkommen von 1998 schreibt diesen Sonderstatus ohnehin fest. Wir sollten die Wähler Nordirlands und nicht die irische oder die britische Regierung - und erst recht nicht die EU - entscheiden lassen, welchen Weg zwischen Großbritannien und Irland sie nach dem Brexit gehen wollen“

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Dagens Nyheter (SE) /

Drei Optionen, die London alle nicht gefallen

Wie knifflig die Lösung der Grenzfrage ist, veranschaulicht Dagens Nyheter:

„Würde die innerirische Grenze durchlässig, könnten britische Waren durch die Hintertür von Nordirland in die EU gebracht werden. ... Unternehmen in Nordirland hätten freien Zugang sowohl zur EU als auch zum Vereinigten Königreich. Das wäre ein seltsames Arrangement, mit dem die Briten leben können, aber nicht Frankreich und Deutschland. Eine harte Grenze aber wäre ein wirtschaftlicher Schlag für Irland und Nordirland. Darüber hinaus gibt es Sorgen, dass die Gewalt im Norden wieder aufflackern könnte. ... Am besten wäre es, wenn Großbritannien im Binnenmarkt verbliebe. Am zweitbesten wenigstens in der EU-Zollunion. Und wenn nicht, dann sollte zumindest Nordirland dazu gehören. Alle drei Optionen aber scheint man London nicht andienen zu können“

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The Irish Times (IE) /

London bleibt Lösungsvorschläge schuldig

Dass aus London keine konstruktiven Vorschläge kommen, bringt Dublin in eine heikle Lage, ärgert sich The Irish Times:

„Irland braucht einen positiven Abschluss der Brexit-Verhandlungen und eine möglichst lange Übergangsphase nach dem EU-Austritt Großbritanniens, damit neue Vereinbarungen ausgearbeitet und umgesetzt werden können. Ein Abbruch der Verhandlungen und ein ungeregelter Brexit ohne Abkommen wären auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine große Bedrohung für uns in Irland. Es wird ein schwieriger Balanceakt für die Regierung in Dublin, die unterschiedlichen Ziele im richtigen Maße zu verfolgen - vor allem angesichts der unrealistischen und unbeständigen britischen Haltung.“

The Guardian (GB) /

Feindseliger Akt gegenüber Irland

Mit ihrer harten Brexit-Haltung setzt die britische Regierung den nordirischen Friedensprozess und die wirtschaftliche Stabilität Irlands aufs Spiel, empört sich The Guardian:

„Der Brexit wirkt für viele in Europa wie ein Akt britischer Selbstverletzung - was er auch ist. Doch für Irland ist der Brexit potenziell tödlich. Wenn die britische Regierung ihre Ziele umsetzt, wird die Grenze zwischen Nordirland und der Republik wieder 'hart' sein. Sie wird im Gegensatz zum Status quo wieder bewacht und kontrolliert werden müssen. Die Folgen dieser Veränderungen könnten den Friedensprozess in Nordirland und das sichere Leben dort ernsthaft gefährden. Schlimmer noch, diese Konsequenzen wären ein völlig unnötiger feindseliger Akt gegenüber der Wirtschaft und den Menschen in Irland.“

Trud (BG) /

Frieden und Wohlstand in Gefahr

Auch Trud fürchtet, dass all das, was Irland zuletzt erreicht hat, nun auf dem Spiel steht:

„Im Gegensatz zu den Briten sind die Iren keine Hitzköpfe. Sie wiegen ihre politischen Positionen und Handlungen nüchtern ab. Auf diese Weise schufen sie den keltischen Tiger. ... In weniger als 20 Jahren haben sie es geschafft, sich kulturell und als Nation neu zu erfinden. Von den vor dem Karfreitagsabkommen von 1998 Bomben werfenden Katholiken, die protestantische Engländer hassen, bis zu Kleeblättern, Kobolden, St. Patrick’s Day, keltischer Volksmusik, Michael Flatley, Riverdance, Irish Pubs, Whisky und so weiter haben sie einen langen Weg durchgemacht. Das wollen sie sich nicht noch einmal von den Briten kaputt machen lassen.“