Wie weit trägt die Syrien-Einigung?
Russland, der Iran und die Türkei haben sich auf dem Gipfel in Sotschi darauf verständigt, gemeinsam nach einer Lösung für Syrien zu suchen, die die Einheit des Landes bewahrt. Auf einer Konferenz der syrischen Konfliktparteien soll es um eine Nachkriegsordnung gehen. Doch Kommentatoren sind äußerst skeptisch, ob das Auseinanderbrechen des Landes verhindert werden kann.
Jeder führt seine eigene Terrorliste
Darüber, wie eine Syrien-Lösung umgesetzt werden kann, die die Einheit des Landes bewahrt, herrschen unterschiedliche Vorstellungen zwischen den Gipfelteilnehmern, beobachtet Milliyet:
„Die Bandbreite der Vorstellungen ist groß, angefangen von einer starken Zentralregierung über eine geographische, ethnische, religiöse und konfessionelle Föderation bis hin zur Autonomie. ... So verstehen Putin oder Rohani unter der territorialen Integrität Syriens etwas ganz anderes als Staatspräsident Erdoğan. Zum Beispiel bedeutet es für Putin keine Verletzung der territorialen Integrität Syriens, wenn ein Teil des Landes von der [kurdischen] PKK/PYD verwaltet würde. ... Ebenso erweckt der Ergebnisbericht von Sotschi den Eindruck, man habe sich darauf verständigt, 'terroristische' Aktivitäten zu verhindern, doch es ist klar, dass jeder Teilnehmer andere Gruppen auf seiner Terrorliste führt.“
An Assad führt kein Weg vorbei
Mittelfristig kommt der Westen nicht um Assad herum, wenn es darum geht, ein Auseinanderbrechen Syriens zu verhindern, glaubt The Times:
„Die Absichten des Westens in Syrien waren stets vielschichtig. Er strebte einen vereinigten, aber auch demokratischen Staat an. Nun steht der Westen vor einer schwierigen Entscheidung: Die Erhaltung eines einheitlichen Staats muss oberstes Ziel sein - auch wenn das bedeutet, Assad für eine gewisse Zeit weiter regieren zu lassen. ... Assads Macht wird unweigerlich abnehmen. Der Westen und jene in der arabischen Welt, die sich um die Stabilität in der Region sorgen, müssen folgendes strategisches Ziel weiter verfolgen: Assad irgendwann einmal politisch beseitigen und ihn durch eine stabile weltoffene Regierung ersetzen.“
Hoffentlich kein neues Jalta
Einige Beobachter ziehen nach dem Gipfel in Sotschi Parallelen zur Jalta-Konferenz 1945, doch Delo ist skeptisch:
„Die Aussagen einiger russischer Analytiker, das Treffen der Präsidenten Russlands, der Türkei und des Iran könne man mit der Konferenz von Jalta vergleichen, bei der die Siegermächte die Machtverteilung in Europa nach dem Ende des Kriegs besprochen haben, sind übertrieben. Doch auch wenn ihre Ankündigungen stimmten, würde das nichts Gutes bedeuten. Obwohl sich die Sieger dieses Mal nicht im selben Schwarzmeer-Urlaubsort getroffen haben, haben sie am Donnerstag, wie schon im Februar 1945, mit überkreuzten Fingern hinter dem Rücken die Verhandlungen geführt. Die Folgen der Vereinbarungen von Jalta, wo der Kalte Krieg begann, sind noch immer zu spüren. Deshalb bleibt zu hoffen, dass das Treffen in Sotschi nicht so historisch war.“
USA im Abseits
Die USA haben im Nahen Osten schon bald nichts mehr zu melden, bedauert Corriere del Ticino:
„Mit seiner Initiative macht der russische Präsident die Amerikaner zu bloßen Zuschauern. Ein trauriges Schicksal für die USA, die in Syrien Soldaten und Ressourcen eingesetzt haben. In diesem Fall wird Washington nicht dafür belohnt, dass es sich stärker auf die Diplomatie und die Pflege des eigenen Images konzentriert hat, angesichts einer öffentlichen Meinung, die immer mehr gegen Kriege an fernen und für die nationale Sicherheit als unbedeutend empfundenen Orten ist. Die USA sind aufgefordert (oder gezwungen), sich damit abzufinden, aus der Steuerung der Zukunft Syriens ausgeschieden zu sein, mit allen Folgen, die dies auf den Einfluss Amerikas in der Region haben wird. Dies ist nicht nur Trumps 'America First' zuzuschreiben. Es handelt sich um einen Prozess des Rückzugs, der bereits die Außenpolitik von Obama prägte.“
Nur eine neue Phase des Krieges
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist es viel zu früh, einen Schlussstrich unter den Krieg zu ziehen:
„[V]iele Syrer, auch Nachbarstaaten, [finden sich] nicht damit ab, dass sich iranisches Militär dauerhaft in Syrien festsetzt und das Land verändert. Die Gesellschaft ist unverändert gespalten, das Land ist es auch. Denn das Regime kontrolliert nur eine Hälfte Syriens, nicht aber die kurdischen Gebiete, in denen sich das Öl, Gas und Wasser Syriens konzentrieren. Ohne diese Ressourcen ist Syrien nicht lebensfähig. Die von Amerika unterstützten Kurden wollen sich nur einem föderalen Syrien anschließen, wozu das Regime nicht bereit ist. Es gibt also genügend Gründe, warum der Konflikt nicht zu Ende ist, sondern nur in ein neues Stadium tritt.“
Russland ist in Syrien der Spielmacher
Putin ist im Syrien-Konflikt mittlerweile derjenige, der die Fäden in der Hand hält, beobachtet Hürriyet Daily News:
„Die Ereignisse beschleunigten sich, nachdem Putin [in Syrien] die volle Kontrolle übernommen hatte. Ohne ihn wäre es extrem schwierig gewesen, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Parteien zu sichern, zum Beispiel zwischen den USA und dem Iran. ... [Neben öffentlich bekannten Treffen] gab es parallele Diplomatie, Kontakte zwischen den Geheimdiensten und andere weniger offensichtliche Bemühungen. ... Ob es einem gefällt oder nicht, Russland hat das Spiel geändert, seit es 2015 mit Unterstützung des Iran in Syrien einmarschierte. In den letzten zwei Jahren war es der Hauptspielmacher, der zu allen Akteuren in der Region direkt und leicht sprechen kann.“
Einigung keine Garantie für Waffenruhe
Dass die Dreier-Allianz eine Waffenruhe für Syrien erzielen kann, ist für Le Figaro noch längst nicht ausgemacht:
„Das Bündnis zwischen Moskau, Ankara und Teheran ist möglicherweise noch nicht ausreichend, um Frieden zu erlangen. Ankara zeigt sich besorgt angesichts einer möglichen diplomatischen Unterstützung Moskaus für die Kurden, die die Türkei als Feinde betrachtet und deren Milizen einen Teil des syrischen Nordens kontrollieren. … Die russischen Funktionäre streben zwar nach einer Führung im Verhandlungsprozess, doch brauchen sie noch das grüne Licht der internationalen Gemeinschaft, um ihre Anstrengungen zu legitimieren. Wird die am Dienstag von Wladimir Putin angekündigte Unterhaltung mit Donald Trump zu diesem Thema helfen, die Überzeugungen vor [der Fortsetzung der Friedensverhandlungen kommende Woche in] Genf in Einklang zu bringen?“
Frieden nicht ohne Kurden möglich
T24 glaubt, dass es bei den Gesprächen vor allem um eins gehen wird:
„Das heutige Hauptthema in Sotschi wird sein, Erdoğan davon zu überzeugen, dass die Vertreter der syrischen Kurden am Verhandlungstisch Platz nehmen dürfen. ... Denn im Gegensatz zu unserer Regierung, die mit ihren Ambitionen und Phobien nicht über den eigenen Tellerrand hinausschauen kann, weiß Russland sehr genau, dass das Kurdenproblem einen dauerhaften - ja sogar einen provisorischen - Frieden unmöglich macht. ... Das hat sogar der Iran erkannt. ... Gleichzeitig ist offensichtlich, dass die USA, die versuchen, in Syrien und Irak ihre Autorität und Macht (und natürlich den Zugriff auf das Öl der Region) zu bewahren, weiterhin auf die Kurden setzen werden. Bei diesem Thema herrscht - wenn auch nur vorübergehend - Konsens zwischen den USA und Russland.“