Was bezweckt Warschau mit Kabinettsumbildung?
Gut einen Monat nach der Ernennung Mateusz Morawieckis zum neuen Premier hat Polens nationalpopulistische Regierungspartei PiS weitere Regierungsposten neu besetzt. Journalisten gehen davon aus, dass Warschau damit vor allem Imagepflege betreiben will. Einen wirklichen politischen Richtungswechsel erwarten sie nicht.
Image der PiS verbessert sich, Politik nicht
Für den linken Publizisten Jakub Majmurek ist die Absetzung einiger Hardliner ein geschickter Schachzug der PiS. Er schreibt in Newsweek:
„Alles, was Kaczyński erreichen wollte, hat er schon: Das Verfassungstribunal, die Gerichte, die Staatsanwaltschaft, [den staatlichen Sender] TVP. In dieser Situation muss man die Lage beruhigen, die errungene Macht festigen und den Kampf an weniger wichtigen Fronten einstellen. ... Man sollte sich jedoch keine Illusionen machen, dass die neue Regierung aufhört, die Verfassung zu brechen und sich den Staat anzueignen. Sie wird dies jedoch mit Samthandschuhen tun, auf eine Weise, die ihrem Ruf nicht schadet.“
Kaczyński weiß, was er tut
Auch das regierungsnahe Nachrichtenportal wPolityce.pl hat eine Erklärung dafür, dass PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński fünf Minister absetzt, die bei der traditionellen PiS-Wählerschaft teils hohes Ansehen genießen:
„Die neue politische Linie resultiert aus neuen Bedrohungen, unter anderem der, dass Polens Ruf in Gefahr ist. Nach Meinung des Parteivorsitzenden ist dieser in Gefahr durch die Berichterstattung über Vorfälle auf dem Unabhängigkeitsmarsch und der damit verbundenen falschen Behauptung, Polen toleriere 'Faschismus'. ... Und da die Opposition am Boden liegt, kann man weitere gesellschaftliche Gruppen erreichen und die Wählerschaft noch weiter vergrößern. ... Das ist die Lieblingsstrategie des Parteichefs der PiS: Mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen.“
Alter Wein in neuen Schläuchen
Die Süddeutsche Zeitung glaubt nicht an einen Kurswechsel der polnischen Regierung:
„Polens starker Mann Jarosław Kaczyński hat lediglich die Köpfe besonders unbeliebter Minister rollen lassen und seinen Durchgriff auf das Kabinett verstärkt, ohne selbst ins Rampenlicht zu treten und die von ihm ungeliebte alltägliche Regierungsarbeit zu übernehmen. ... Die Regierung wird auch unter ihrem neuen nominellen Chef Morawiecki die Konfrontation suchen. Die Attacken gegen die Unabhängigkeit der Justiz gehen weiter. Und der Premier ist bei seinem ersten Staatsbesuch im Ausland weder nach Berlin noch nach Paris geflogen, sondern nach Ungarn. Zu Premierminister Viktor Orbán. Das zeigt, dass Warschau im Konflikt mit Brüssel hart bleibt. Es setzt darauf, dass Ungarn per Veto einen Entzug des polnischen Stimmrechts in der EU verhindert.“
Polen bangt um EU-Gelder
Die Kabinettsumbildung soll in erster Linie die EU beschwichtigen, mutmaßt Il Sole 24 Ore:
„Vor seiner Reise nach Brüssel hat Premier Morawiecki einige der eurokritischsten Minister entlassen. Bestätigt wurde, vorläufig, Zbigniew Ziobro an der Spitze des Justizministeriums. Genau deshalb aber stehen viele Beobachter den neuen Ernennungen skeptisch gegenüber. Sie könnten dazu dienen, Zeit zu gewinnen und die wahren Absichten von Jarosław Kaczyński, dem unumstrittenen Chef der polnischen Politik, zu verbergen.... In Brüssel hat Morawiecki denn auch versucht, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker davon zu überzeugen, dass sein Land die Regeln der Demokratie respektiert. ... Am meisten Sorge bereitet Warschau die EU-Haushaltsdebatte zur Verteilung der Gelder ab 2021: Polen, dem in den letzten sieben Jahren die meisten Gelder zugestanden wurden, drohen drastische Kürzungen.“
Gute Nachricht für die Ukraine
Mit dem Wechsel im Außenministerium beschäftigt sich die ukrainische Parlamentarierin Oxana Jurynez. Die Äußerungen des bisherigen Außenministers Witold Waszczykowski waren für die Ukraine nicht hinnehmbar, erklärt sie in Den, und begrüßt entsprechend dessen Auswechslung durch Jacek Czaputowicz:
„Die internationalen Beziehungen, so prognostizieren wir, brauchen nun dringend neue, positive Impulse, besonders im Ukraine-Polen-Kontext. Der neue Chef des Außenministeriums ist ein Karrierediplomat, der nicht politisiert ist und sich durch seine pazifistische Position auszeichnet. Mir scheint, dass wir sehr richtige diplomatische Schritte erwarten können - die nüchternen und überlegten Entscheidungen, die wir heute brauchen.“