Mazedonien-Streit: Griechische Proteste wachsen
In Griechenland gab es am Sonntag erneut eine Großkundgebung gegen einen Kompromiss im Streit um den künftigen Namen der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM). 140.000 Teilnehmer demonstrierten in Athen gegen jede Namensgebung, die das Wort Mazedonien im Landesnamen enthält. Die Presse skizziert eine vertrackte Situation, die am Ende ganz Südosteuropa destabilisieren könnte.
Scheitert der Kompromiss, freut sich der Kreml
Die Stabilität ganz Südosteuropas gefährdet sieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„[Der Namensstreit hat] Mazedonien für Jahre auf autoritär-nationalistische Abwege getrieben, die das Land fast zerrissen hätten; die Folgen für die umliegenden Staaten wären unabsehbar gewesen. Die neuerliche Bewegung im Namensstreit ist durch eine demokratische Wende in Mazedonien ermöglicht worden. Sie geriete in Gefahr, wenn Athen unter dem Eindruck nationalistischer Großdemonstrationen nun wieder auf stur schalten würde. Außerhalb Griechenlands würde das jemanden freuen: den Kreml, der den Nato-Beitritt Mazedoniens verhindern will. Moskau zeigt sich in dieser Frage so flexibel zynisch wie immer. Bisher hatte es ein großes Herz für die mazedonischen Nationalisten, nun rät Außenminister Lawrow den Griechen, keinen Kompromiss einzugehen.“
Demonstranten wittern Verrat
Was für eine Zwickmühle der Namensstreit für Tsipras und seine Regierung bedeutet, erklärt das Webportal Defend Democracy:
„Sie stehen auch unter dem starken Druck der US-Regierung und sind wahrscheinlich Verpflichtungen gegenüber Washington eingegangen... Aber wenn sie auf ihrer derzeitigen Position beharren, werden sie in ihrem Land eine sehr gefährliche Krise verursachen. … Nicht nur, dass 70 Prozent der Bevölkerung gegen ihre Politik sind. Der Widerstand ist auch wirklich vehement, da ein Teil der öffentlichen Meinung die Politik der Regierung als nationalen Verrat betrachtet. Heute war dieser Teil friedlich, aber die Leute scheinen entschlossen, alles zu tun, um das Parlament daran zu hindern, das Abkommen zu ratifizieren, das Athen und Skopje unterzeichnen könnten.“
Falsche Patrioten brauchen eine Backpfeife
Auch die Mazedonier zeigen sich nach Ansicht von Fokus wenig kompromissbereit im Namensstreit:
„Die Geschichte lehrt uns, dass Mazedonien nie ein Königreich oder ein Staat, sondern immer nur eine Region war. Wir müssen die rosarote Brille ablegen und den Tatsachen ins Auge sehen, so weh es auch tut. … Der Namensstreit mit Griechenland ist ein sensibles Thema, doch vielen Mazedoniern fehlt das nötige Wissen, um zu verstehen, welch historische Chancen sich mit einem Kompromiss für die Zukunft ihres Landes auftäten. Stattdessen beharren sie darauf, dass Mazedonien seit Alexander dem Großen ein mächtiges Land sei. Es ist an der Zeit, den falschen Patrioten in Mazedonien eine Backpfeife zu verpassen, um sie aufzuwecken, bevor sie uns alle in den Abgrund führen.“
Starke Botschaft an rechte Parteien
Die Demonstranten wollten vor allem den Politikern des rechten und konservativen Spektrums etwas mit auf den Weg geben, erklärt Naftemporiki:
„Die erste starke Botschaft wurde an Verteidigungsminister Panos Kammenos gesandt. Wenn er will, dass seine Partei [Anel] bei der nächsten Wahl überlebt, darf er keine Lösung unterstützen, die das Wort 'Mazedonien' beinhaltet, selbst wenn es das Ende der Regierungskooperation mit Syriza bedeutet. In einer schwierigen Lage befindet sich auch die konservative Partei Nea Dimokratia. Sie kann auf keinen Fall eine so große Zahl Menschen ignorieren, von denen die meisten ihrer Wählerschaft angehören. ... Dies gilt umso mehr angesichts der Anwesenheit des Veteranengenerals Frangoulis Frangou bei der Demonstration, der, wie man munkelt, eine neue Partei rechts der Nea Dimokratia gründen will.“
Regierung darf Unmut nicht ignorieren
An der Demonstration nahmen auch Politiker und Unterstützer der neonazistischen Partei Chrysi Avgi teil. Falls die Regierung die Demonstranten ignoriert, könnten viele von ihnen den Rechten in die Arme fallen, warnt das Webportal Protagon:
„Wenn wir davon ausgehen, dass alle demokratischen Parteien sich direkt oder indirekt für eine Lösung des Streits stark machen [bei der Mazedonien Teil des Namens bleibt], besteht die Gefahr, dass viele Teilnehmer der Demonstration lieber Zuflucht bei den Rechtsextremen suchen. ... Die Regierung darf die Sorgen dieser Menschen weder abwerten noch politisch ablehnen. Ihre Aufgabe ist es, Bedingungen für einen Konsens zu schaffen. Wenn die Regierung es geschafft hat, die Griechen davon zu überzeugen, dass sie die Sparmemoranden zerreißen werde, kann sie es dann nicht auch schaffen, diesen Namensstreit zu einer Lösung zu führen?“