Syrien: Israel und Iran auf Konfrontationskurs
Nahost-Experten warnen vor einer kriegerischen Eskalation zwischen Israel und Iran. Israel hatte nach eigenen Angaben auf eine iranische Drohne über seinem Gebiet reagiert und am Wochenende iranische Ziele im Nachbarland Syrien bombardiert. Dabei schoss die syrische Flugabwehr einen israelischen Kampfjet ab. Journalisten erörtern, was die Konfrontation für Russland und Europa bedeutet.
Mit oder gegen Israel? Moskaus Gretchenfrage
Israels Militäreinsatz in Syrien versetzt Russland in eine verzwickte Lage, analysiert die Neue Zürcher Zeitung:
„Israel hat … angekündigt, permanente iranische Basen in Syrien militärisch anzugreifen. Das alles bringt Russland in die Zwickmühle. Es versuchte bisher, Israel zu beschwichtigen. Unter anderem garantierte Putin, dass keine iranischen Milizen in der Nähe der Golanhöhen an der Grenze zu Israel stationiert werden. Doch offensichtlich wachsen in der israelischen Führung die Zweifel, ob der Einfluss des Kremls auf Teheran wirklich ausreicht, um Iran im Zaum zu halten. Eine grosse israelische Militäraktion in Syrien allerdings würde Moskau zu einer äusserst schwierigen Wahl zwingen: entweder mit oder gegen Israel, mit oder gegen Iran, mit oder gegen Asad.“
Iran nicht länger mit Samthandschuhen anfassen
Mit ihrer Beschwichtigungspolitik befeuert die EU das aggressive Verhalten Irans, schimpft The Times:
„Israel will keine Eskalation, Iran möglicherweise schon. Ein Fehler oder eine Fehlinterpretation auf einer der beiden Seiten könnte einen offenen Krieg auslösen. ... Großbritannien und die EU könnten bedeutend dazu beitragen, der iranischen Aggression Einhalt zu gebieten. Doch sie reagieren lieber mit Beschwichtigungspolitik. Statt Sanktionen gegen Iran zu verhängen und Israel zu unterstützen, dreschen sie hohle Phrasen und rufen beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Das aber ermutigt Iran nur. Der EU und Großbritannien ist es wichtiger, ein zum Scheitern verurteiltes Atomabkommen zu retten, unter dessen Deckmantel sie ihre prinzipienlosen Handelsverbindungen mit Iran abwickeln können, als die Leben unschuldiger Menschen zu retten.“
Warum Europa Teheran entgegenkommen muss
Gerade jetzt muss am Atomabkommen mit Iran festgehalten werden, findet hingegen El Periódico de Catalunya:
„Europa kann Rohanis Modernisierungspolitik unterstützen, indem es das Land international wieder integriert. ... Das Ende des Atompakts wäre eine Katastrophe für den Nahen Osten, der wegen des Syrienkriegs und der US-Provokation im Chaos versinkt. .... Ohne das Abkommen könnte nicht nur Iran sondern auch Saudi-Arabien sein Atomwaffen-Arsenal ausbauen. Die instabilste Region der Welt hätte dann plötzlich drei Atommächte, denn auch Israel hat welche, auch wenn es das nicht offen zugibt. ... Europa sollte stolz auf einen seiner größten diplomatischen Erfolge sein und eine Strategie entwerfen, die die USA überzeugt. Wenn Trump nicht einlenkt, muss Europa erwachsen werden und die eigenen Interessen durchsetzen gegen den, der es wie eine Kolonie behandelt.“
Setzt Assad auf Krieg mit Israel?
Mit den israelischen Luftangriffen auf Ziele in Syrien droht der Krieg eine neue Eskalationsstufe zu erreichen, meint Gândul:
„Es ist nicht der erste israelische Überfall auf Syrien. In den letzten sechs Jahren gab es über 100 solcher Operationen, die häufig damit begründet wurden, dass es sich um einen Angriff auf iranische Konvois handle, die der libanesischen Hisbollah Waffen lieferten. ... Niemals reagierte die Assad-Armee, man beschränkte sich darauf, leidvolle Petitionen an internationale Organisationen zu schreiben. Dass man nun mit dem Abschuss eines Kampfflugzeugs reagierte, könnte ein schlechtes Zeichen sein. Ein Zeichen dafür, dass Assad zusammen mit seinen Verbündeten (Iran, Hisbollah) auf Krieg setzt.“
Trump gießt Öl ins Feuer
Besorgt fragt sich der US-Korrespondent von La Repubblica, Federico Rampini, wie weit Israels wichtigster Verbündeter Washington gehen wird:
„Die gesamte Nahostpolitik von Trump kreist darum, dass Iran der Feind Nummer Eins sei und in die Knie gezwungen werden müsse. In diesem Punkt stimmt die US-Regierung nicht nur mit [Israels Premier] Netanjahu überein, sondern auch mit Saudi-Arabien. Unter Obama hatte Amerika noch versucht, die israelischen und saudischen Hardliner zu beschwichtigen. Kann das Amerika unter Trump so weit gehen, jedem, der Teheran oder die iranischen Stützpunkte in Syrien und im Libanon angreifen möchte, dazu implizit die Erlaubnis zu erteilen? ... Aaron David Miller, Leiter des Nahost-Departments des [Forschungszentrums] Woodrow Wilson Center, hat bereits auf Twitter gewarnt: 'Trump drängt zum Krieg gegen den Iran'.“
Israel will diesen Krieg nicht
Ein Krieg zwischen Israel und den von Iran gesteuerten Gruppen in Syrien ließe sich nur schwer kontrollieren, analysiert Der Standard:
„Dieser Krieg gilt als von manchen antiiranischen arabischen Akteuren geradezu als erwünscht: Aber trotz der strategischen Interessengemeinschaft mit den neuen arabischen Freunden war gerade das ein Grund mehr für das israelische Sicherheitsestablishment, sich die Sache kühl anzusehen und die Folgen abzuwägen. Fazit: Israel will diesen Krieg nicht. Spätestens dann, wenn Hisbollah-Raketen auf israelische Städte regnen, könnte er nur mehr schwer 'begrenzt' werden. Das aktuelle Schlaglicht auf die Verwundbarkeit Israels - der Verlust des ersten Kampfjets seit 1982 - wird diese Position eher bestärken.“
Moskau ist der Schlüssel
Auch Ria Novosti plädiert für Zurückhaltung:
„[Israels] beste Option ist, die Realität anzuerkennen. Nach einem Ende des Bürgerkriegs wird der Iran in Syrien präsent bleiben. Israel kann sich lediglich darum bemühen, dass Teheran im syrischen Raum nur eine wichtige, aber keine dominierende Rolle einnimmt. Dafür muss man verhandeln, und zwar vorrangig mit Moskau. ... Nach dem Zwischenfall sprach Putin mit Netanjahu. So blieb das vergleichsweise hohe Vertrauensniveau gewahrt. Wenn Israel dieses Vertrauen nutzt, kann es - mit Unterstützung und Garantien Moskaus - gewisse Bedingungen im Nachkriegs-Syrien durchsetzen und dafür sorgen, dass die Zahl iranischer Militäranlagen begrenzt bleibt.“