Kostspielige Regierungspläne in Rom
In Italien haben die rechtspopulistische Lega und die Protestbewegung Fünf Sterne einen Koalitionsvertrag unterzeichnet. Wichtige Punkte des Papiers: eine Neuverhandlung der EU-Verträge, ein Schuldenerlass für Rom, Steuersenkungen, ein Grundeinkommen und die Rücknahme der Rentenreform. Kommentatoren fürchten, dass sich Italien auf eine Konfrontation mit der EU und ein finanzielles Desaster zubewegt.
Italien manövriert sich selbst ins Aus
Italien kann sich eine EU-skeptische Haltung nicht leisten, wettert Daniele Bellisario, Auslandsexperte bei La Repubblica:
„Die Außenpolitik von Lega und Fünf-Sterne basiert auf der Illusion, dass Italien an Gewicht gewinnt, indem es sich querstellt. Dass zur Verteidigung des nationalen Interesses nicht nur eine eigenständige Linie geboten sei, sondern eine, die von der europäischen Linie abweicht oder dieser sogar entgegenläuft. Solch ein Souveränismus ist für Italien allerdings nicht nur ein Fehler, sondern ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Er addiert zum Schuldenberg in den Staatsfinanzen ein Defizit an Ansehen in den Gremien, in denen Entscheidungen gefällt werden, die Italien betreffen: Wirtschaft, Migration, Infrastruktur, Sicherheit, Hilfsgelder. Sich querzustellen bedeutet für Italien, sich selbst ins Aus zu manövrieren.“
Wer soll das bezahlen?
Das wirtschaftliche Programm der möglichen neuen Regierung in Rom ist dramatisch fehlgeleitet, warnt The Economist:
„Leider bieten weder die Lega noch die Fünf-Sterne-Bewegung Lösungen für die wahren Probleme Italiens. Die Produktivität hat dort seit dem Jahr 2001 kaum zugenommen, während sie in Deutschland um 16 und in Rumänien um 134 Prozent gestiegen ist. Um das in Ordnung zu bringen, müssten das Arbeitsrecht flexibilisiert, die Gerichte reformiert, in Bildung und Infrastruktur investiert und die Korruption bekämpft werden. Obwohl die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung dazu eine Reihe von Ideen haben, ist ihr großes politisches Vorhaben etwas anderes: Ein großes Paket wirtschaftlicher Anreize mit Steuersenkungen und finanziellen Zuwendungen - wobei völlig unklar ist, wie das bezahlt werden soll.“
Kopfschmerzen in Berlin und Brüssel
Um den Reformprozess in der EU sorgt sich mit Blick auf Rom Ilta-Sanomat:
„Der Euroelite würde eine relativ radikale und offen eurokritische Regierung im drittgrößten Euroland die nächsten heftigen Kopfschmerzen bereiten. Die ausgesprochen teuren und den EU-Abkommen widersprechenden Wirtschaftsprogramme dürften außer Brüssel ganz sicher auch Berlin verärgern, auch wenn die vor Kurzem noch für den Euroaustritt plädierenden Parteien nun versprochen haben, die Gemeinschaftswährung 'nicht infrage zu stellen'. Es ist schwer vorstellbar, dass Deutschland angesichts dieser Regierung auch nur einer einzigen Reform zustimmen würde, die als Ausweitung der Gemeinschaftsverantwortung ausgelegt werden könnte.“
Den Norden freut's
La Stampa warnt, dass
„die jüngsten Ausfälle und die Anti-Europa-Rhetorik seitens Matteo Salvini oder Luigi Di Maio den nordischen Ländern genau das Alibi liefern könnten, dass sie für den bevorstehenden EU-Gipfel suchen. Denn sie wollen verhindern, dass die Europäische Union die Integration vorantreibt und neue Pflöcke einschlägt, insbesondere was die Bankenunion und die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung betrifft. Dabei wissen wir alle zwei Dinge: Diese Reformen sind hauptsächlich in unserem Interesse. Und sollten wir den Termin im Juni verpatzen, wird das Thema für die nächsten drei Jahre wieder ad acta gelegt. Ein selbstzerstörerisches Verhalten also. Die nordischen Länder jedenfalls reiben sich die Hände. Sie können ein Projekt blockieren, das uns begünstigen würde - und die Schuld dafür Italien geben.“
Rückenwind für Frankreich und Macron
Auch etwas Positives kann Les Echos dem italienischen Debakel abgewinnen:
„Das italienische Schreckensszenario hat einen Vorteil: Es weist Frankreich seinen Platz im Zentrum Europas zu - zwischen Deutschland und dem Norden, der gegen haushaltspolitische Transferzahlungen in der Eurozone ist, auf der einen Seite, und Italien, dessen neue Spitzenpolitiker die europäischen Regeln schmähen und davon träumen, aus dem Euro auszutreten, auf der anderen Seite. ... Und wenn sich in Italien nun eine populistische Regierung bildet und dies auch zum Wahlverhalten passt, das man in Osteuropa feststellen kann, so wird das den Druck auf Angela Merkel erhöhen. Hoffentlich bringt es sie dazu, gewisse Reformprojekte Emmanuel Macrons zu akzeptieren.“