Die EZB ändert ihren Kurs
Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, zum Jahresende ihre umstrittenen Käufe von Staatsanleihen einzustellen. Für einige Kommentatoren ist dies insbesondere mit Blick auf Italiens neue Regierung ein längst überfälliger Schritt. Andere glauben, dass die EZB durch ihre lockere Geldpolitik Europa ein Stück weit gerettet hat.
Rechtzeitig vor dem Gewitter
Gerade noch rechtzeitig läutet Draghi den Paradigmenwechsel in der europäischen Geldpolitik ein, begrüßt Die Welt den Schritt:
„[V]or allem, weil sich geopolitisch jede Menge dunkler Wolken auftürmen, vom ungelösten Handelskonflikt mit den USA über den Brexit bis hin zum Wahlsieg der Populisten in Italien. Die EZB tut gut daran, sich angesichts dieser Gemengelage zu wappnen, und sich für die Zukunft die nötige Beinfreiheit zu sichern. Gerade die übergriffige Haltung der neuen italienischen Regierung, die unter Missachtung aller Verträge allen Ernstes einen Schuldenerlass von der EZB gefordert hat, dürfte vermutlich auch den letzten Zauderer im Rat davon überzeugt haben, dass es höchste Zeit ist, die Politik in die Schranken zu weisen und die über die Jahre entstandene unselige Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik schnellstens aufzulösen.“
Zentralbanken dürfen nie wieder politisch agieren
Die Zentralbanken sind unbefugt in die Sphäre der Politik vorgedrungen, kritisiert Corriere del Ticino. Dies mit der Einführung von Regeln nachträglich demokratisch zu legitimieren, helfe aber nicht weiter:
„Dies wäre nicht die richtige Lösung, sondern nur ein Linderungsmittel, das in einer ohnehin schon sehr verworrenen Situation andere Probleme schaffen würde. Stattdessen wäre es richtig, die Zentralbanken in ihre natürlichen Schranken zu weisen. Das bedeutet, sie mit einer einzigen Aufgabe zu betrauen: den Wert der Währung zu verteidigen, und das in völliger Unabhängigkeit. Beim Rest (Rettung von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen, die wirtschaftliche Situation usw.) müssen die Regierungen ihrer Verantwortung gerecht werden und die Probleme durch harte Arbeit lösen, ohne sich von den Sirenen einer lockeren Geldpolitik verführen zu lassen.“
Draghi hat es gut gemacht
Die EZB hat zur Stabilisierung Europas beigetragen, lobt Der Standard:
„Niemand weiß, wie sich die Eurozone entwickelt hätte, hätten die Währungshüter das getan, was ihnen in Deutschland geraten wurde: nichts. Doch vieles spricht dafür, dass Draghi zur Stabilisierung Europas beigetragen hat. Als eine Folge der EZB-Politik ist der Wert des Euro gegenüber anderen Währungen gefallen. Das hat Exporteuren aus Österreich, Italien und anderen Euroländern geholfen … Die EZB hat außerdem die Kreditkosten für Unternehmen in Südeuropa gedrückt. Das hat Investitionen im Süden wieder interessanter gemacht. Oberstes Ziel der Maßnahmen der Notenbank war, die Inflation ansteigen zu lassen. Steigen die Preise nicht oder sinken sie sogar, wächst die Gefahr, dass Unternehmen aufhören zu investieren. Die Krise wird dann zum Dauerzustand. Diese Gefahr ist heute weitgehend gebannt.“
Europas Spaltung hat auch EZB erfasst
L'Echo beobachtet ein "gemächliches Eilen" der EZB und glaubt auch deshalb, dass die Institution tief gespalten ist:
„zwischen den Verfechtern einer strikteren Währungspolitik zur Bekämpfung der Inflation, die auf 1,9 Prozent - den offiziellen Zielwert - angestiegen ist, auf der einen Seite, und den Anhängern einer flexibleren Währungspolitik zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums in der Eurozone auf der anderen Seite. Dies spiegelt die politischen Spannungen zwischen Deutschland, das harte Haushaltsregeln will, und den südeuropäischen Ländern, die mehr Flexibilität fordern. Dass selbst die EZB gespalten ist, die lange Zeit als die Institution erschien, die Europa am besten verkörpert, bedeutet, dass der Weg zu einer Versöhnung der Mitgliedsstaaten der Eurozone noch sehr lang ist.“