Nervosität vor Gipfel zwischen Trump und Putin
Donald Trump und Wladimir Putin wollen bei ihrem Treffen am heutigen Montag in Helsinki unter anderem über die Lage in Syrien und der Ukraine sowie über Rüstungskontrollen sprechen. Beobachter in Europa sind besorgt, dass der russische Präsident seinen Amtskollegen zu großen Zugeständnissen bewegen könnte. Die Presse spekuliert über die Ergebnisse des Gipfels.
Treffen ist eine Wundertüte
Was beim Gipfel herauskommt, ist völlig unklar, meint Kansan Uutiset:
„Zu Zeiten des Kalten Kriegs waren die Gipfel zwischen den Staatsoberhäuptern der USA und Russlands vorhersehbare Ereignisse. Es gab einige vorher bekannte Streitfragen, deren Lösung man entweder näher kam oder nicht. Wenn sich Putin und Trump jetzt in Helsinki treffen, ist das anders. Niemand weiß wirklich, worüber verhandelt wird und was zu erwarten ist. Einerseits glaubt man, dass die Beziehungen zwischen den USA und Russland so schlecht sind wie zur Zeit des Kalten Kriegs. Dann wird vermutet, dass Putin Trump in der Hand hat und in Helsinki ein neues Jalta-Abkommen ausgehandelt wird, in dem die Einflusssphären aufgeteilt werden. Daher bleibt unklar, ob eine Verbesserung oder Verschlechterung der Beziehungen zu befürchten ist.“
Trump vertritt nicht mehr den Westen
Vor dem Gipfel fragt sich Lidové noviny, wer in Helsinki dem russischen Präsidenten Putin eigentlich gegenüber sitzt:
„Wir waren daran gewöhnt, dass ein US-Präsident nicht nur die USA repräsentiert, sondern gewissermaßen den ganzen Westen. Das galt so zwischen Roosevelt und Stalin, Kennedy und Chruschtschow, Nixon und Breschnew, Reagan und Gorbatschow. Kann man sich Trump in einer solchen Position vorstellen? Das ist die Grundfrage vor dem Gipfel von Helsinki. Seit eineinhalb Jahren - und zuletzt auf dem Nato-Gipfel vergangene Woche in Brüssel - sehen wir, dass Trump der Führer der USA ist, nicht des Westens. Putin ist ein zu erfahrener Profi, um das nicht zu erkennen und für sich zu nutzen.“
Putin als das kleinere Übel
Dass viele europäische Staaten Trump inzwischen für gefährlicher halten als Putin, könnte der russische Präsident für sich zu nutzen wissen, meint Dserkalo Tyschnja:
„In gewissem Sinne ist eine solche Einschätzung für Russland beleidigend, das es an folgende Formel gewöhnt ist: 'Sie fürchten uns, das heißt, sie respektieren uns.' Andererseits gibt diese Sichtweise Russland aber Handlungsspielraum, wenn die Europäer Russland nicht so sehr als Sicherheitsproblem ansehen, sondern eher als Helfer bei der Bekämpfung aktueller Bedrohungen. Und tatsächlich unterstützt ein Teil der Staaten, vor allem des europäischen Südens, die Idee der Zusammenarbeit mit Russland im Nahen Osten mit Blick auf langfristige Lösungen in Fragen der Migration und des Terrorismus.“
Die Egos passen zusammen, die Interessen nicht
Ein Schulterschluss zwischen beiden Präsidenten wird nicht von langer Dauer sein, meint Soziologe Vladislav Inozemtsev, Leiter des Moskauer Think Tanks Institut für Postindustrialismus, in Le Monde:
„Mir scheint, dass dieser Gipfel nur organisiert wurde, um die Ambitionen und das Ego der beiden Präsidenten zu befriedigen. ... Ist eine Partnerschaft zwischen Trumps Amerika und Putins Russland möglich? Mittelfristig betrachtet sollte man das nicht ausschließen - und das sollte die Europäer beunruhigen. Aber werden die USA und Russland auf lange Sicht enge Freunde sein? Das scheint mir zweifelhaft, denn dafür braucht man gemeinsame Werte und Interessen, nicht nur zwei Staatsoberhäupter, die sich gegenseitig bewundern, denen man aber im Rest der Welt keinerlei Respekt entgegenbringt.“
Riss zwischen Europa und USA immer tiefer
Nach dem Nato-Gipfel dürfte auch die Zusammenkunft Trumps mit Putin kaum zur Beruhigung der Europäer beitragen, glaubt der Irish Examiner:
„Mehr besorgt denn wütend haben europäische Staats- und Regierungschef bisher davon abgesehen, Trump mit offener Kritik zu provozieren. Sie fürchten, dass das Gipfeltreffen mit Putin ihrer Beziehung zu Washington einen weiteren Schlag versetzen wird. ... Putin könnte Trump überzeugen, die von den USA geführten Nato-Militärübungen in Polen und den baltischen Staaten, die Russland vehement ablehnt, zu stoppen, und zudem versuchen, die US-Sanktionen gegen Russland zu lockern, ohne die Krim zu thematisieren. Beides wäre für westliche Interessen verheerend. ... Was auch passiert, das Gipfeltreffen dürfte mit Sicherheit die Kluft zwischen den USA und ihren europäischen Alliierten vertiefen.“
Ein Ukraine-Syrien-Deal ist möglich
Radio Kommersant FM hält es für möglich, dass in Helsinki ein 'Mega-Deal' zur Ukraine und Syrien vereinbart wird:
„Assad im Tausch gegen die Anerkennung der Krim und die Aufhebung der Sanktionen, diese Spekulationen gibt es schon seit 2014. Übrigens, vier Tage vor dem Treffen flog wieder einmal Netanjahu nach Moskau. Israels Premier gilt zunehmend als Moskaus Fürbitter in Amerika. ... Die aktuelle Version der Spekulationen lautet also so: Trump ist bereit, die Sanktionen wegen der Ukraine zu lockern, dafür muss Moskau aber den Iran und die Hisbollah aus Syrien hinauskomplimentieren und auf eine Partnerschaft mit Teheran verzichten. Als indirektes Anzeichen, dass dieser Deal in Vorbereitung ist, kann gelten, dass russische Medien immer öfter über Erfolge der Assad-Armee berichten und dass noch eine russische Einheit siegreich heimkehren soll.“
Der Zweck heiligt nicht die Mittel
In Rzeczpospolita fragt der frühere Washington-Korrespondent Jędrzej Bielecki nach den strategischen Zielen, die Trump beim Treffen mit Putin verfolgen könnte:
„Im besten Fall könnte man annehmen, dass das Treffen Teil eines großen, strategischen Spiels ist, welches das Pentagon und das Weiße Haus spielen. Als die Sowjetunion der Hauptfeind der USA war, betrieb Henry Kissinger die Annäherung mit China, um gemeinsam Moskau aufzuhalten. Heute, da Peking der größte Konkurrent Washingtons ist, versucht man das umgekehrte Manöver. ... Wenn dies tatsächlich der Fall ist, könnte sich herausstellen, dass die Mittel den Zweck nicht wert sind. Die Anerkennung der Annexion der Krim käme einem Einverständnis zur Verletzung fundamentaler Grundsätze des Völkerrechts durch Russland gleich und würde dazu einladen, dies erneut zu tun.“
Krim und Syrien interessieren Trump nicht
Laut Ria Nowosti geht es Trump bei dem Gipfel nicht etwa um die Krim oder Syrien:
„Er braucht die Kooperation mit Russland in ganz anderen Fragen, die für das Weiße Haus weitaus wichtiger sind: Wenn die USA keine Mitarbeit Russlands auf dem Ölmarkt erreichen können, wird Washingtons gegenwärtige Iran-Politik schweren, wenngleich auch indirekten Schaden für die US-Wirtschaft und schweren direkten wirtschaftlichen Schaden für die wichtigsten Verbündeten verursachen. ... Er muss deshalb um russische Unterstützung bitten - und zwar bitten und auf Drohungen verzichten. Die Hauptintrige des Gipfels liegt nun darin, zu welchen Zugeständnissen in den einen oder anderen globalen Fragen oder Regionalkonflikten der US-Präsident bereit ist, um Russlands Entgegenkommen zu erhalten.“
Pakt kann brandgefährlich werden
Europa muss sich auf bedrohliches Szenario einstellen, fürchtet die Süddeutsche Zeitung:
„Donald Trump ... vertritt nicht mehr die Interessen der Partner. Im Gegenteil. Genauso wie Putin betreibt er eine aggressiv-nationalistische Politik, zu der es gehört, die Europäische Union zu schwächen. ... Die EU muss damit rechnen, dass die USA und Russland über ihre Köpfe und Interessen hinweg Deals schließen. Das kann brandgefährlich werden. ... Klug wäre es jedenfalls, sich auf die schlimmstmögliche Wendung vorzubereiten: Trump verrät den Westen und paktiert - zumindest heimlich und teilweise - mit Russland. Die Europäer wären dann auf sich allein gestellt. Das sollten alle Staaten und Parteien innerhalb der EU bedenken, die Europa derzeit schwächen.“
So könnte der Kreml Trump manipulieren
Der Experte für Sicherheitspolitik, Edward Lucas, skizziert in BNS die mögliche Strategie von Putins Beraterstab für das Treffen mit Trump:
„Beginnen Sie mit einem Lob über die Wiederherstellung der Beziehungen. ... Die Skepsis des US-Präsidenten der Nato gegenüber ist bekannt, daher zeigen Sie ihr Mitgefühl für die Last der US-Steuerzahler, die für die Verteidigung der undankbaren Alliierten in Europa zahlen müssen. Erwähnen Sie auch die Handelsdefizite und die zu großen Ausgaben in Europa für die soziale Sicherheit. Diese Verbindung ist zwar Schwachsinn, aber sie wird Wirkung zeigen. Verweisen Sie darauf, dass die Stationierung der US-Soldaten in Europa zu teuer ist, und dass man das Geld lieber in den USA ausgeben sollte. Dann erinnern Sie daran, dass Russland auch eine unverdiente Last tragen muss. Leiten Sie dann das Gespräch auf die Sanktionen.“
Schreckgespenst Annäherung
Die Angst, dass die Welt nach dem Treffen eine andere sein könnte, beschäftigt Europa wie auch Russland, so Radio Kommersant FM:
„Was, wenn Trump dem Charme Putins erliegt, der russische Präsident den politisch unerfahrenen Kollegen um den Finger wickelt? Und Trump verzichtet dann zum Beispiel auf das europäische Sicherheitssystem, stellt die Finanzierung der Nato ein und ruft seine Truppenkontingente aus Osteuropa ab? ... Beziehungen aufbauen ist nicht so einfach. Bei uns, wie auch im Westen, hat man sich an die Konfrontation gewöhnt. ... Auch der Kreml muss jetzt seinem aufgestachelten Volk etwas erklären: Eben noch waren die USA der Kinderschreck, und jetzt? … Auf wen will man innere Probleme abwälzen, wenn sich zeigt, dass das Umfeld gar nicht so feindlich ist?“
US-Präsident will Friedensstifter geben
Warum Donald Trump derzeit so entschlossen auf Wladimir Putin zugeht, erklärt der Experte für Geopolitik Bernard Guetta im Radiosender France Inter:
„Welch ein Zufall, dass Trump und Putin - die beiden Männer, die die EU erledigen wollen - ausgerechnet am Vortag des unseligen EU-Gipfels ihr erstes Treffen haben ankündigen lassen, das scheinbar bereits im kommenden Monat in Helsinki stattfinden soll. Die USA und Russland nähern sich einander an, während die Union auseinander bröckelt. Den Umarmungen zwischen Kim und Trump in Singapur nach zu urteilen ist der US-Präsident sehr wohl dazu bereit, Putin gegenüber in allen Bereichen nachzugeben, um sich so die Möglichkeit zu sichern, bei der Kongresswahl Mitte November als Friedensstifter aufzutreten.“
Miteinander reden ist in jedem Fall gut
Trotz aller Risiken begrüßt Aamulehti das Gipfeltreffen von Trump und Putin:
„Es ist unmöglich vorherzusagen, was bei den Gesprächen zwischen Trump und Putin letztlich herauskommen wird. Die Unberechenbarkeit ist eine bei beiden beliebte Vorgehensweise. ... Sorge bereitet das Treffen den Partnern der USA. ... So könnte Trump die Autorität der Nato schwächen, indem er beispielsweise die militärischen Verpflichtungen der USA gegenüber Europa verringert oder verspricht, die Teilnahme der USA an dem im Herbst in Norwegen geplanten Manöver abzusagen oder die Annexion der Krim akzeptiert. ... Diplomatie, Zusammenkünfte und Gespräche sind aber immer gut und deshalb ist die Nachricht, dass sich die Präsidenten in Finnland treffen, zunächst einmal positiv zu bewerten.“