Israel verabschiedet Nationalstaatsgesetz
Die Knesset hat am Donnerstag ein Nationalstaatsgesetz verabschiedet, das den jüdischen Charakter Israels festschreibt und Arabisch den Status als zweite Amtssprache nimmt. Zudem dürfen künftig Kommunen entstehen, die Arabern das Wohnrecht vorenthalten. Für die einen ist es ein zutiefst undemokratisches Gesetz, für andere eine legitime Form der Verteidigung des israelischen Staats.
Einer Demokratie unwürdig
Das israelische Nationalstaatsgesetz ist zutiefst undemokratisch, kritisiert der Kolumnist Antonio Ferrari in Corriere della Sera:
„Dass Israel sich nun dafür entscheidet, mit einer Abstimmung in seinem Parlament die arabische (und damit die muslimische) Minderheit, die 20 Prozent seiner Bevölkerung ausmacht, als eine Volksgruppe auszugrenzen, deren Einheit von einem Sonderstatus garantiert wird, ist ein heuchlerischer Schritt und für einen Staat, der sich als demokratisch bezeichnet, unpassend. ... Die Reaktion der arabischen Parteien, die in der Knesset anwesend waren, war vorhersehbar. Viel bemerkenswerter ist jedoch der Aufstand der Abgeordneten, einschließlich der Konservativen, die eine Entscheidung ablehnen, die das Klima vergiftet und den demokratischen Glauben eines Staates gefährdet, der gegen jegliche Diskriminierung gegründet wurde.“
Diskriminierung wird legalisiert
Das neue Gesetz zementiert die Diskriminierung der Palästinenser, empört sich auch The Independent:
„Dieses Gesetz stellt eine neue Entwicklung dar, mit der die seit langem bestehende Ungleichheit effektiv noch verdoppelt wird. ...Schon jetzt durch Anwohner-Ausschüsse [die über den Zuzug neuer Anwohner entscheiden] aus Hunderten israelischen Gemeinden verbannt, werden Palästinenser dieses Gesetz zu Recht verdächtigen, die von ihnen erfahrene Diskriminierung in Sachen Land- und Wohnbesitz noch zu verschärfen. ... Das neue Gesetz ist auch ein weiteres Hindernis - als bräuchte es dieser noch mehr - für die Zwei-Staaten-Lösung. Die palästinensische Führung hat sich immer der Forderung des israelischen Premiers widersetzt, als Bedingung für Verhandlungen, Israel als 'jüdischen Staat' anzuerkennen. Das war, wie das Gesetz nun bestätigt, Widerstand aus gutem Grund.“
Apartheid im Nahen Osten
Die Entscheidung wird den Konflikt zwischen Israel und der muslimischen Welt anheizen, warnt die islamisch-konservative Yeni Şafak:
„Israel hat gestern mit der Verabschiedung des jüdischen Nationalstaatgesetzes den einzigen 'rassistischen Staat' der Welt ausgerufen. Araber wurden als zweitklassig, zur 'Diener-Klasse' für die jüdische Nation erklärt. ... Nachdem das Apartheid-Regime in Südafrika Geschichte wurde, verstärkte sich die rassistische Welle im Nahen Osten. Diese Entscheidung nährt sich aus dem Schritt Donald Trumps, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, den zum 'apokalyptischen Krieg' erklärten neokonservativ-rassistischen Invasionen gegen unsere Region in der Amtszeit George W. Bushs und den rassistischen Wellen, die beide Seiten des Atlantiks in Geiselhaft nahmen. ... Heute treten Israel und die muslimische Welt in eine neue Periode des Konflikts.“
Natürlich ist Israel ein jüdischer Staat
An der Definition Israels als jüdischen Staat findet die Tageszeitung Die Welt hingegen nichts auszusetzen:
„Kein israelischer Politiker hat daran jemals einen Zweifel gelassen. Hätte er es getan, hätte er der Unabhängigkeitserklärung des Staates vom 14. Mai 1948 widersprochen. ... Jegliche Empörung über die Betonung des jüdischen Charakters Israels, die nun noch einmal in Gesetzesform gebracht wurde, wäre von daher nicht der Rede wert, würde sie von den Feinden Israels nicht als Munition genutzt, die Existenz des jüdischen Staates an sich infrage zu stellen. ... Wollte man das Gesetz kritisieren, dann ließe sich allenfalls darüber klagen, dass Premier Netanjahu etwas hervorhebt, das nicht noch einmal hätte betont werden müssen.“
Konservative haben gewonnen
Israel verrät seine eigenen Werte, kritisiert die Neue Zürcher Zeitung:
„Dass Israel ein jüdischer Staat ist, ist weder national noch international umstritten. Israel wurde geträumt und gegründet als Heimstätte und Zuflucht für Juden. ... Nein, was Liberale und Linke monieren, ist die Preisgabe der zionistischen Wertschätzung für Demokratie und Gleichheit. Wichtig ist, was in diesem Gesetz nicht gesagt wird. Denn anders als in der Unabhängigkeitserklärung von Mitte Mai 1948 verzichtet das neue Gesetz auf jede Nennung des Gleichheitsprinzips. ... Liberalere Geister hatten versucht, diesen Passus ins neue Gesetz zu übertragen, sie scheiterten.“
Dilemma wird sich so nicht lösen
Der Konflikt zwischen der nationalen Identität Israels und der Garantie von demokratischen Rechten für alle Bürger wird durch das Gesetz weiter verschärft, fürchtet Polityka:
„Israel steht schon lange vor dem immer dringenderen Dilemma: Wie bleibt man 'die einzige Demokratie im Nahen Osten' und wie verliert man gleichzeitig nicht seine jüdischen Werte? Das neue Gesetz verstärkt dieses Dilemma nur.“