Warum tanzt Putin auf Kneissls Hochzeit?
Russlands Präsident Putin hat am Samstag für rund 90 Minuten die Hochzeit von Österreichs Außenministerin Karin Kneissl besucht. Die Einladung an den Präsidenten war im Land und international von Politik und Medien stark kritisiert worden. Es gibt aber auch lobende Stimmen zum Auftritt Putins.
Putin zeigt, wie es anders geht
Putins Hochzeitsbesuch in der Steiermark setzt nach Meinung von Ria Nowosti eine russische Charme-Offensive fort, die mit der Fußball-WM begonnen hat:
„In einer Welt der wachsenden Konfrontation, des Kontaktabbruchs, der endlosen Streitereien und Skandale erinnert Moskau (und Putin persönlich) die Mächtigen der Welt daran, dass alles auch ganz anders laufen könnte. Dass es in der Welt viel Freude, Güte und Freundschaft gibt, und dass man alle Gegensätze in konstruktiven und ruhigen Gesprächen lösen kann. Vor dem Hintergrund einer weltweiten Eskalation, zumal in der gröbsten und schmutzigsten Erscheinungsform, gibt Russland auf höchster Ebene ein einfaches Beispiel für anständiges menschliches Verhalten: Gastfreundschaft, Wärme und Freude über das Glück der Anderen.“
Der Kriegsherr macht den Partylöwen
Empörend findet Eesti Päevaleht Putins Tanzeinlage:
„So, endlich hat die Welt erfahren, dass der russische Präsident auch mitten in Europa Hochzeitsunterhalter spielen und mit der Braut tanzen kann, um bei allen die Laune zu heben (und das in Kriegszeiten, meine Damen und Herren!). Begleitet von temperamentvollen Kosaken, so wie es unter den russischen Imperatoren seit Napoleons Tagen üblich ist, wenn sie nach Europa reisen. Es ist ein schockierender Schachzug in dem Spiel, das seit langem als Hybrid-Propagandakrieg bezeichnet wird.“
Kneissls Rücktritt wäre zu viel verlangt
Dass Kneissl bei ihrer Hochzeit das Tanzbein mit Putin geschwungen hat, ist ungeschickt, aber kein Rücktrittsgrund, findet Die Presse:
„Mit ihrer unkonventionellen Hochzeitsdiplomatie rückt Kneissl Österreich zu Beginn der EU-Präsidentschaft symbolisch ins prorussische Eck, wo die FPÖ seit ihrem Freundschaftsvertrag mit der Kreml-Partei ohnehin zu Hause ist. Sie hätte ein paar Sekunden länger nachdenken sollen, bevor sie Putin einlädt. ... Deswegen, wie ein EU-Mandatar der Grünen, den Rücktritt der Außenministerin zu fordern, ist lachhaft. Sie hat Putin nicht angeboten, Österreich als 23. Republik der Russischen Föderation zu annektieren, sondern ihn zu einem Glas Wein und Backhendl bei ihrer Hochzeit eingeladen. Das ist schräg und beschädigt das propagierte Brückenbauerimage in der Ukraine, eröffnet aber theoretisch diplomatische Chancen.“
Unterstützung des ultrarechten Lagers
Dass Putin auf der Hochzeit in der Steiermark auftritt, ist weniger Beziehungspflege als eine Unterstützung des ultrarechten Lagers in Europa, kritisiert Vitali Portnikow in newsru.com:
„Putins Besuch ist die Fortsetzung einer alten Tradition: Hass auf die Demokratie und die Werte der freien Welt sowie der Wunsch nach Revanche und Ausweitung des Imperiums führen den Kreml stetig in das Lager der Wahnsinnigen und machen Russland zu dessen verbündeter Schutzmacht. Ende der 1930er Jahre waren das die Nazis. Und nach dem Krieg ultralinke Terroristen, die in speziellen Camps sowjetischer Geheimdienste ausgebildet wurden. ... Die Reise des 'Hochzeitsgenerals' nach Österreich zeigt, dass Putins Herz den ultrarechten europäischen Politikern gehört - den gleichen, gegen deren Gesinnungsgenossen unsere Großväter noch kämpften.“
Hochzeitsfeier wird zur Polit-Peinlichkeit
Warum Österreichs Außenministerin den Präsidenten Russlands zu ihrer Hochzeit einlädt, versucht der Kurier zu ergründen:
„Im Idealfall war es der Geltungsdrang einer Jungpolitikerin, die sich nicht leicht im Amt eingefunden hat. Im schlimmsten Fall ist es der Versuch der FPÖ, den von ihr geschätzten, autoritär agierenden Putin zu hofieren, mit allen negativen Konsequenzen. Wer als 'Brückenbauer' zwischen Russland und der Ukraine auftreten wollte, steht nun blamiert da, Ex-Geheimdienstler Putin bekommt seine große Show.“
Fortsetzung einer finsteren Tradition
Österreich hat schon immer stärker mit Russland kollaboriert als andere Staaten, bemerkt Dennik N:
„Schon seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bemüht sich das Land um gute Beziehungen zu Moskau. Am Anfang hatte es keine Wahl, da es besetzt war. Bis heute aber nutzt Österreich seine Neutralität und Kollaboration mit verschiedenen Diktaturen im Osten wirtschaftlich aus. Deshalb wurde es zu einem diplomatischen Hotspot, einem Finanz- und Spionagezentrum. Die Einladung Putins zur Hochzeit der von der rechtsextremen FPÖ nominierten Außenministerin ist somit keine Umkehr der österreichischen Politik, sondern die Forstsetzung ihrer finsteren Traditionen.“