Hulot: Frankreichs "grünes Gewissen" tritt zurück
Frankreichs Umweltminister Nicolas Hulot hat am Dienstag im Radiosender France Inter seinen Rücktritt angekündigt. Er habe sich innerhalb der Regierung mit seinem Kampf für die Umwelt völlig allein gefühlt, begründete der frühere Umweltaktivist seine Entscheidung. Viele Kommentatoren finden das nachvollziehbar.
Nur ein Alibi-Minister
Diverse Präsidenten hatten sich Hulot als Minister im Kabinett gewünscht. Dass Hulot sich erst Macron anschloss und jetzt bereits wieder zurücktritt, findet Stefano Montefiori, Paris-Korrespondent von Corriere della Sera, nicht verwunderlich:
„Hulot sagte vor 14 Monaten Ja zu Emmanuel Macron, weil er ein Ministerium mit breitgefächertem Kompetenzbereich erhielt - und den Rang des stellvertretende Premierministers. ... Im Gegenzug sollte Hulot, der sich dessen nicht immer bewusst war, die Rolle des menschlichen Gesichts ausfüllen - bekannt und geliebt von den Franzosen, in einer Regierung voller Politneulinge und Technokraten mit liberalen Tendenzen. Hulot hoffte, die ganze Regierung umweltbewusst zu machen. Die Regierung hingegen beschränkte sich darauf, das Umweltbewusstsein einzig ihm anheimzustellen, eine Art Alibi fürs allgemeine Desinteresse.“
Ende einer politischen Illusion
Angesichts der wirtschaftsliberalen Einstellung Macrons hätte sich Hulot keine Illusionen machen dürfen, kommentiert Libération:
„Den Klimawandel begrenzen, Lebensmittel gesünder machen, den Transport regulieren, die Energiewende voranbringen, den Planeten schonen - wer all dies will, muss Wirtschaft und Finanzwelt kontrollieren können. Die große Unternehmerlobby aber wirkt in die Gegenrichtung, geißelt Normen, Regelungen, öffentliche Eingriffe und Steuerförderungen. Man sagt, der Umweltschutz sei neutral, eine Verpflichtung für alle Parteien. Das ist ein großer Witz. Was Umweltschutz wirklich erfordert, ist die gemeinschaftliche Steuerung der Wirtschaftsentwicklung und eine enge Abstimmung zwischen privatem und öffentlichem Sektor. ... Der Macronismus will Laisser-faire und Umweltschutz in Einklang bringen. Ein politischer Widerspruch und philosophischer Irrtum, dem auch Hulot erlegen ist.“
Politik braucht Experten wie Hulot
Hulots Weggang ist ein herber Verlust und offenbart eine demokratische Schwachstelle der Politik, findet De Morgen:
„Der Politik gelingt es nur mühsam, Quereinsteiger, Experten mit hohem Profil, anzuziehen. ... In der Politik muss man bereit sein, kurzfristig Kompromisse zu schlucken, um langfristig Ziele zu erreichen. Und für Leute wie Hulot ist das zu viel Pragmatismus. Allerdings geht der Pragmatismus oft auch zu weit und reduziert die Politik auf einen taktischen und bisweilen zynischen Wahlkampf: Macht wird nur um der Macht willen angestrebt. Vielleicht war Hulot auch nicht der bestmögliche Minister: In der Küche muss man Hitze vertragen. ... Doch wird es der Politik nicht gelingen, ohne die Einsichten von Quereinsteigern schwierige langfristige Entscheidungen zu treffen.“