Rechtsextremismus-Debatte treibt Deutschland um
Nach den rechtsextremen Krawallen in Chemnitz werden in Deutschland hochrangige Politiker und der Chef des Verfassungsschutzes kritisiert, das Ausmaß der Gewalt verharmlosen zu wollen. Genau so spielt man den Extremisten in die Hände, urteilen einige Kommentatoren. Andere erinnern daran, dass sich Nationalismus auch aus legitimen Bedürfnissen der Bürger nährt.
Nationalismus ist Suche nach Halt
Nationalismus ist auch Ausdruck eines menschlichen Grundbedürfnisses, erinnert Kolumnist David Thunder in The Irish Times:
„Nationalistische Bewegungen sind oft die Ausdrucksform eines legitimen Wunsches, viel zu weit gehende gesellschaftliche Veränderungen zu verlangsamen. Und sie verteidigen das Recht einer Gesellschaft, deren spezifische Werte und Lebensweisen zu bewahren. ... Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen wählen: Entweder wir akzeptieren eine Form der nationalistischen Weltsicht als Bewältigungsstrategie gegen zerstörerische gesellschaftliche Veränderungen. Oder wir suchen nach einer neuen Weltsicht, die die Menschen für Veränderungen bereit macht und gleichzeitig deren Bedürfnis berücksichtigt, an einem Ort verankert zu sein, den sie Heimat nennen können.“
Verfassungsschutz-Chef hilft AfD
Das Verhalten des Chefs des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hinsichtlich der Ereignisse von Chemnitz erinnert den Blogger und Buchautor Sascha Lobo in Spiegel Online an die Medienarbeit rechter Populisten:
„Mit unbewiesenem oder falschem Getöse samt Verschwörungsandeutung vorpreschen, in der Öffentlichkeit nachwirken lassen, dann halbherzig zurückrudern und ärgerlicherweise falsch verstanden worden sein in der Geschmacksrichtung 'die Medien sind schuld'. Maaßen hat damit aktive AfD-Hilfe betrieben, ob absichtlich oder nicht. ... In Verbindung mit dem halben Dutzend AfD-Treffen auf Maaßens Initiative hin ergibt sich für mich das Bild eines Mannes, der in der rechtsextremen AfD eine politische Verbündete zu sehen scheint.“
Verharmlosung stärkt die Extremisten
Wer die Taten Rechtsextremer herunterspielt, legitimiert deren Methoden, warnt die deutsche Journalistin Anna Sauerbrey in The New York Times:
„Innenminister Seehofer und [Sachsens] Ministerpräsident Kretschmer rechtfertigen sich vielleicht damit, dass sie die wahren Rechtsextremen so am Rand der Gesellschaft halten. Doch in Wahrheit öffnen sie ihnen damit weiter die Tür. Die Folgen sind bereits sichtbar. Angstmacherei und verunglimpfende Sprache sind Teil des breiten öffentlichen Diskurses. Nun ist auch die Lüge nicht mehr tabu. Das politische Establishment hat damit begonnen, selbst das populistische Spiel zu spielen: Die Realität wird in kleine Teile selektiver Wahrnehmung zerschlagen, die die Politiker dann als Waffe im Ringen um Macht einsetzen können.“