Warum scheiterte Mazedoniens Namensreferendum?
Der Ausgang des Namensreferendums in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (Fyrom) wird im Land unterschiedlich bewertet. Während die Wahlkommission es mangels Beteiligung als gescheitert ansieht, sprach Regierungschef Zaev von einem Sieg. Kommentatoren finden Ursachen für das Ergebnis sowohl auf regionaler als auch auf weltpolitischer Ebene.
Ideologie des 'Makedonismus' hat gesiegt
Die Wahlbeteiligung lag nur bei 35 Prozent, doch davon stimmten mehr als 90 Prozent dafür, das Land in Nord-Mazedonien umzubenennen, sowie Nato und EU beizutreten. Wie tief gespalten die Gesellschaft ist, erklärt Naftemporiki:
„Es ist klar, dass die überwältigende Mehrheit der slawischen Mazedonier jegliche Idee und Aussicht auf einen Kompromiss mit Griechenland ablehnt. Die Generationen von Tito und Gruevski bleiben mit der konstruierten Ideologie des 'Makedonismus' verbunden. ... Der albanisch-mazedonische Teil der Gesellschaft hingegen - es sind etwa 25 Prozent der Bevölkerung - sieht sich als strategischen Verbündeten des Westens und seiner Pläne in der Region. Das zeigt, wie tief die Spaltung auf ethnischer Basis in unserem Nachbarland ist. ... Wenn sich daran nichts ändert, wird Fyrom eine Zeit der dramatischen Isolation erleben.“
Bürger fürchteten nationale Schande
Webcafé glaubt, dass die Mazedonier im Wahlkampf um das Referendum der Propaganda erlegen sind:
„Besonders für die Älteren gleicht die Namensänderung einem Landesverrat. Sie sind tief davon überzeugt, was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass sie mit extremen nationalistischen Parolen gefüttert wurden und ihnen die Angst eingeflößt wurde, dass die anderen Balkanländer Mazedonien erniedrigen und sich über das Land lustig machen wollen. [Die Oppositionspartei] VMRO-DPMNE, russische Internet-Trolle und die Medien hatten sich zum Ziel gesetzt, die Menschen davon zu überzeugen, dass das Referendum Schande über das Land bringt, weil es seinen Namen aufgeben und die Mazedonier im Gegenzug nichts dafür bekommen sollen.“
Kreml stiftet wieder einmal Unfrieden
Wer ein Interesse daran hatte, dass das Referendum scheitert und somit die Westanbindung Mazedoniens erschwert wird, erklärt The Times:
„Hier geht es um Interessensphären, die Grenzen von Moskaus Einfluss in Europas Grenzländern und um die Anziehungskraft westlicher Institutionen. ... Mit reichlich viel Spionagekunst und Manipulation in sozialen Medien hat Moskau versucht, die Stabilisierung des Balkans zu verhindern. Facebook-Seiten riefen dazu auf, das Referendum zu boykottieren. Offensichtliche Fehlinformationen erinnerten an frühere Versuche des Kreml, demokratische Prozesse zu stören. ... Wie sinnvoll EU- und Nato-Erweiterung im Balkan sind, mag im Westen umstritten sein, doch eines ist klar: Russland hat ein starkes Interesse daran, an Europas Grenzen Chaos zu stiften.“
Zaev deutet Ergebnis zum Pro-Nato-Votum um
Dass das Referendum nun dennoch von der mazedonischen Führung als Erfolg verkauft wird, findet der Politologe Igor Pschenitschnikow in Iswestija befremdlich:
„[Premier Zaev] erklärte pathetisch, dass die Mehrheit der Mazedonier der Meinung ist, 'die Republik Mazedonien soll den Vertrag mit Griechenland annehmen und Mitglied der Nato und EU werden'. Es scheint, wir sind Zuschauer in einem absurden Theater. Erstens kann man das Referendum unmöglich als gültig bezeichnen. Zweitens nennt man 90 Prozent von jenem Drittel, das teilnahm, eine 'Mehrheit', die angeblich für die Europa-Integration Mazedoniens eintritt. ... Die Hauptnutznießer eines 'positiven' Ausgangs des Referendums sind die USA und die Nato, vor allem die Amerikaner. Washington nimmt schon lange methodisch strategisch günstige Positionen im Westbalkan ein.“
Kein unlösbarer Konflikt
Trotz des gescheiterten Referendums sieht die Tageszeitung Delo die Lage positiv:
„In Zeiten des erneuten Aufschwungs von Nationalismen in Europa und nach Jahrzehnten vergeblicher und auswegloser Diskussionen über die nationale Identität auf dem Balkan, könnte die Kompromissvereinbarung zwischen Mazedonien und Griechenland ein Modell und Vorbild dafür sein, wie man Konflikte auf friedlichem Weg und durch Dialog löst. Es würde deutlich werden, dass es keinen unlösbaren Konflikt gibt, solange man diplomatische Kreativität und politischen Willen nutzt. Auf dem Balkan würde man so den europäischen Staaten, die gerne Mauern hochziehen würden, die Botschaft schicken, dass man auch Brücken bauen kann.“
Die EU muss jetzt Druck machen
Wie es nach dem gescheiterten Referendum weitergehen könnte, skizziert Kapital:
„Die Hoffnung ist nun, dass der Druck von Mazedoniens westlichen Partnern die Waage kippen lässt. Diese haben ja bereits eine Schlüsselrolle beim Rücktritt des Ex-Premiers und Parteichef von [der Oppositionspartei] VMRO-DPMNE Nikola Gruewski gespielt, der Mazedonien in Isolation und Nationalismus geführt hatte. Eine der Verschwörungstheorien lautet nun, dass die VMRO-DPMNE versuchen wird, sich die Freilassung Gruewskis durch die Unterstützung für die Ratifizierung des Abkommens mit Griechenland zu erkaufen. Gruewski wurde bereits zu zwei Jahren Haft verurteilt und ihm drohen noch mehr. So oder so endet der Kampf um das Abkommen und die Zukunft Mazedoniens nicht mit dem Referendum. Im Gegenteil: Er hat gerade erst begonnen.“
Griechische Politik wird in Skopje entschieden
Das Onlineportal Protagon beschreibt die Folgen des Referendums für die Politik Griechenlands:
„Unsere Nachbarn haben sich von ihren Emotionen leiten lassen. ... Die Frage war, ob sie unter dem Namen 'Nordmazedonien' der Nato und der EU beitreten wollen. Diejenigen, die zur Wahl gingen, sprachen sich dafür aus. Aber die meisten Wähler haben so getan, als ob sie diese Frage nicht gehört hätten. ... Das politische Leben in Griechenland wird nun weitgehend von den Entwicklungen in Skopje beeinflusst, wo ausländische Botschaften sich in die Entwicklungen einmischen. ... Alles, was in den kommenden Monaten in Athen passieren wird, wird den Handlungen Zaevs [mazedonischer Premier] folgen.“