EU debattiert Stopp der Türkei-Beitrittsgespräche
Der für Erweiterung zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn will die seit Monaten auf Eis liegenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei endgültig abbrechen. Die EU-Mitgliedschaft sei auf "absehbare Zeit" nicht realistisch. Stattdessen solle eine bisher nicht näher definierte strategische Partnerschaft zwischen der EU und Ankara angestrebt werden. Wie sinnvoll wäre der Schritt?
Produktiven Neubeginn wagen
Ein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wäre richtig, findet die Frankfurter Rundschau:
„Sind die Verhandlungen über eine Vollmitgliedschaft erst einmal beendet, könnten sich die EU und die Türkei auf das konzentrieren, was sie verbindet, statt darüber zu streiten, was sie trennt. Gespräche über wirtschaftliche Themen wie eine Erweiterung der Zollunion würden leichter. So wäre ein Ende der Beitrittsverhandlungen der Impuls zu einem Neubeginn in dem schwierigen Verhältnis Europas zur Türkei. Man würde endlich auf Augenhöhe miteinander umgehen. Dazu gehört freilich, dass die EU ihre Werte nicht verleugnet und der Türkei auch künftig unbequeme Debatten über Grundrechte nicht erspart. Nur eine demokratische Türkei kann ihre Rolle als Sicherheitspartner Europas erfüllen.“
Futter für Erdoğans schrille Kampagnen
Der Stopp der Gespräche würde vor allem die Position des türkischen Präsidenten stärken, fürchtet Népszava:
„Erdoğan könnte großen Nutzen aus einer solchen Abfuhr ziehen. ... In einem Land, in dem die oppositionellen Medien fast zur Gänze beseitigt wurden und wo 47 Prozent der Gesellschaft glauben, dass die türkische Wirtschaft Opfer eines ausländischen Angriffs geworden sei, hat er auch leichtes Spiel. Erdoğan wird nun noch schriller tönen können, dass sein Land ständigen Attacken ausgesetzt sei. Die Einstellung der Beitrittsverhandlungen wäre zudem ein willkommener Anlass für ihn, um seine Anhänger für die im März anstehenden Kommunalwahlen zu mobilisieren.“
Hahn hat das nicht zu bestimmen
Der EU-Kommissar sollte besser seinen Mund halten, schimpft der Ex-SPD-Politiker und AKP-Berater Ozan Ceyhun in Daily Sabah:
„Ich wünschte, Hahn würde nicht mehr weitersprechen. Nach den Wahlen im Mai 2019 wird ein neues Europaparlament geformt, gleich nach einer neuen EU-Kommission. Das ist nicht mehr lang hin. Die Türkei wird mit ihren neuen Ansprechpartnern reden, wenn die Zeit gekommen ist. Mit Leuten wie Hahn oder [der Türkei-Berichterstatterin des EU-Parlaments] Kati Piri hat eine EU-Erweiterung weder für die Union, noch für die Türkei Sinn.“