Türkei lehnt Urteil zu inhaftiertem Demirtaş ab
Das europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat von der Türkei die Freilassung des Politikers Selahattin Demirtaş verlangt. Der frühere Vorsitzende der pro-kurdischen HDP und Erdoğan-Kritiker sitzt seit zwei Jahren wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda in Untersuchungshaft. Doch Präsident Erdoğan wies das Urteil am Dienstag demonstrativ zurück. Gerät Ankara nun unter Druck?
Brüssel muss reagieren
Der Straßburger Gerichtshof hat eine politische Bombe in der Türkei gezündet, ist die taz überzeugt:
„Es ist ein heftiger Schlag für die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, sich politischer Konkurrenten dadurch zu entledigen, sie unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung ins Gefängnis zu stecken und so aus dem politischen Geschehen auszuschalten. ... Erdoğan hat die politische Tragweite des Straßburger Urteils sofort erkannt und es kurzerhand für die Türkei als 'nicht bindend' erklärt. ... Brüssel muss darauf reagieren. Offenbar sind die Entspannungssignale, die die türkische Regierung in Richtung Europa sendet, nicht viel wert. Beim politischen Geben und Nehmen zwischen der EU und der Türkei sollte die Ablehnung des Straßburger Urteils eine wichtige Rolle spielen.“
EGMR-Urteile gehen Ankara sehr wohl etwas an
So leicht kann es sich Erdoğan nicht machen, entgegnet Sözcü:
„Der EGMR ist kein Organ der EU, sondern des Europarats. ... Die Mitgliedschaft der Türkei im Europarat bedeutet, dass sie Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, auf die sich die Urteile des EGMR stützen. Das heißt, dass die EGMR-Urteile für die Türkei bindend sind. Wenn sie das nicht wären, würde das Justizministerium nicht jedes Jahr aus seinem Budget Hunderttausende Euro für Entschädigungszahlungen bereitstellen, die der EGMR der Türkei wegen Rechtsverstößen auferlegt. ... Wenn die Türkei das Demirtaş-Urteil des EGMR nicht umsetzt, wird sie dann im Europarat bleiben, zu dessen Gründern sie gehört?“