Kunst aus Ex-Kolonien: Wo zeigen? Wie schützen?
Frankreichs Präsident Macron hat am Freitag veranlasst, dass 26 Kunstwerke, die 1892 von französischen Kolonialtruppen im heutigen Benin gestohlen wurden, zurückgegeben werden. Ein Expertenbericht hatte dies als erste Maßnahme einer umfangreichen Restitution empfohlen. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit Raubkunst beschäftigt Medien nicht nur in Europa, sondern auch in Afrika.
Geraubte Kunst gehört nicht ins Museum
Die Tageszeitung Le Pays aus Burkina Faso kontert ein häufig genanntes Argument gegen die Rückgabe von Kunstwerken:
„Gegen die Rückführung afrikanischer Kulturgüter, die in europäischen Kunstgalerien schlummern, wird stets eingewendet, dass [in Afrika] keine angemessenen Einrichtungen für deren Aufbewahrung und kein ausreichender staatlicher Schutz für die Werke vorhanden seien. Diese Argumente sind nicht von der Hand zu weisen. Doch muss auch eingeräumt werden, dass diese Objekte nicht unbedingt in Museen gehören, sondern in die Gemeinschaften, die sie meist nicht wegen ihres ästhetischen Werts, sondern vor allem wegen ihrer Funktionalität erschaffen haben. Zur Veranschaulichung sei auf den Platz einer Maske in einer Tanzarena verwiesen: Dort tritt sie aus ganz bestimmten Gründen mit der Gemeinschaft, die sie angefertigt hat, in Interaktion.“
Uns fehlt der Stolz auf unsere Kultur
Die Tageszeitung L'Evénement Précis aus Benin erklärt, was Afrika aus den Fehlern der Vergangenheit lernen sollte:
„Kern der Debatte ist, dass wir nicht gelernt haben, mit Stolz auf unsere Vergangenheit zu blicken. In der aktuellen Debatte über die geraubten Werke ist es notwendig, erneut über die Fälle zu sprechen, in denen Bürger einfach wertvolle Kultobjekte ihrer Klöster, Familien und Verwandten verkauften, ohne sich der Folgenschwere ihres Handelns bewusst zu sein. Dieses keineswegs staatsbürgerliche Vorgehen mag sich zum Teil mit Armut erklären lassen. Es ist aber auch auf ein mangelndes Bewusstsein vieler Bürger zurückzuführen, denen das System nicht beigebracht hat, ihr eigenes Kulturgut zu schützen. Daraus ergibt sich folgende gesellschaftliche Herausforderung: Jeder von uns muss begreifen, welche Verantwortung er für den Schutz unserer Kulturgüter trägt.“
Symbolische Buße reicht nicht aus
Macrons Handeln bringt auch die deutsche Kulturpolitik in Erklärungsnot, stellt die Süddeutsche Zeitung fest:
„Auch Museumsleute gestehen ein, dass sich in ihren Sammlungen Raubgut befindet. Doch vor dem einzig folgerichtigen Schritt - großzügige Restitutionen - drücken sich die Verantwortlichen. Sie hoffen, Schuldbekenntnisse und symbolische Akte der Buße reichten aus, um über das Raubgut verfügen zu können wie bisher. ... Zuerst aber muss Deutschland sein koloniales Weltbild überwinden. Dass die geraubten Objekte uns nie gehörten, dass sie zurückgegeben werden müssen und dass von einer neuen Partnerschaft mit den afrikanischen Ländern beide Seiten profitieren, wird man dann ganz von selbst einsehen.“
Nur mit Garantien zurück nach Afrika
Eine simple Rückgabe der Kunstwerke hält De Volkskrant für falsch:
„Gegner und Zweifler meinen, dass der afrikanische Kunstbesitz in europäischen Museen unter besseren Bedingungen konserviert wird als in afrikanischen Einrichtungen. Und dass die Kunstwerke als Teil des Weltkulturerbes in Europa - vorläufig - ein größeres Publikum erreichen. ... Ganz unbegründet sind die Bedenken nicht. Die Rückkehr von Objekten nach Afrika sollte immer verbunden sein mit der Garantie, dass sie einen Platz in einem Museum bekommen. ... Um zu entscheiden, welche Objekte dafür in Betracht kommen, müssen sie einer 'forensischen Untersuchung' unterzogen werden: Wie, wann und unter welchen Umständen hat man sie bekommen? ... Mit derlei Erkenntnissen kann die Diskussion über ihren endgültigen Bestimmungsort besser geführt werden.“
Kolonialherrschaft ist längst nicht beendet
Der Autor Arno Bertina bedauert in Le Monde die weit verbreitete Verweigerung der Rückgabe von Kunst aus den Ex-Kolonien:
„Diese Verweigerung ist das x-te Zeichen für Europas Missachtung und fehlende Aufmerksamkeit Afrika gegenüber. Diese Kulturgüter haben eher einen künstlerischen und kulturellen Wert, als einen finanziellen. Indem man sich ihrer Rückgabe widersetzt, sagt Europa klar und deutlich, dass es um das Prinzip geht. Die Rückgabe dieser - meist gestohlenen - Güter in Betracht zu ziehen, hieße, den Ländern, die sie einfordern, Achtung entgegen zu bringen. ... Die Kulturgüter sind das äußere Zeichen einer modernen Plünderung: Alle kolonialen Systeme haben in den Abkommen zwischen europäischen multinationalen Konzernen und den afrikanischen Staaten überlebt.“
Kooperation statt Revanche
Die Kunstwerke in ihre Heimat zu schicken reicht nicht aus, warnt La Croix:
„Damit die Erwartungen [afrikanischer Staaten] erfüllt werden können, müssen praktische Voraussetzungen gegeben sein, insbesondere müssen gut ausgestattete Institutionen zur Aufbewahrung solcher Sammlungen existieren. Dies ist ein schönes Thema für Museumskooperationen zwischen Nord und Süd. Allgemein ist zu wünschen, dass solche Initiativen als Gemeinschaftsprojekte durchgeführt und nicht von Revanche-Gedanken geleitet werden. Dass afrikanische Statuen im 19. Jahrhundert nach Europa kamen, hat das künstlerische Feingefühl unseres Kontinents enorm bereichert. Daraus sind in Bildhauerei, Malerei und Design neue künstlerische Strömungen entstanden. ... Dieses Erbe darf nicht geleugnet, sondern muss geteilt werden.“
Schätze sind in Europa besser aufgehoben
Warum Kunstwerke aus ehemaligen Kolonien an Museen in diesen Ländern verliehen, aber nicht auf Dauer zurückgegeben werden sollten, erläutert The Times:
„Dass ein Land von einem anderen ausgeplündert wurde, sollte nicht dadurch gefeiert werden, dass seine Schätze ausgestellt werden. Doch wer kann letztlich sicher sagen, welche Objekte legal gekauft oder getauscht und welche geraubt wurden? Objekte, die ihren Weg in Museen finden, haben oft unvollständige und verwirrende Vorgeschichten. Sie kommen nur selten mit Quittungen. Die beste Lösung ist es, Objekte an ihre Herkunftsländer zu verleihen, sie jedoch in etablierten Museen zu belassen, wo sie geschützt und von Millionen Menschen gesehen werden können.“
Kunstwerke gehören nicht nur einem Volk
Die Rückgabeinitiative Macrons könnte einen gefährlichen Stein ins Rollen bringen, mahnt Kolumnistin Marie-Hélène Miauton in Le Temps:
„Würde man diese Logik zu Ende denken, würde jedes Land nur über die Werke seiner eigenen Künstler und aus seiner eigenen Kultur verfügen, um kein anderes Land zu berauben. Sollte es so weit kommen, könnten der Louvre, das British Museum und viele weitere Museen teilweise schließen. Welch immenser Verlust! Welch eine Reduktion des kulturellen Angebots in seiner Gesamtheit! Was für eine reduzierende Auffassung, Kunst nur als Eigentum desjenigen Volkes zu betrachten, das sie hervorgebracht hat, und nicht als Besitz der gesamten Menschheit!“