Warum wählten Andalusier die rechtsradikale Vox?
Andalusien gilt als Hochburg der Sozialisten. Doch am Sonntag verlor die PSOE von Premier Sánchez bei der Regionalwahl nicht nur etliche Stimmen - mit der Partei Vox zieht erstmals nach Ende der Franco-Diktatur auch eine rechtsradikale Partei in ein spanisches Parlament ein. Wie es Vox gelingt, enttäuschte Wähler von den etablierten Parteien abzuwerben, ergründen Kommentatoren.
Linke Parteien haben enttäuscht
Der Rechtsruck in Andalusien hat nicht in erster Linie mit Migration zu tun, erklärt Der Standard:
„Viele, die mit den Sozialdemokraten gebrochen hatten, blieben zu Hause oder liefen zu Vox über; der Zustrom von Flüchtlingen spielte dabei keine zentrale Rolle. Was in Andalusien geschah, erinnert eher an die USA, wo die Eliten der Demokraten viele Menschen dermaßen enttäuschten, dass sie nicht oder Donald Trump wählten. Podemos hat - anders als Vox - das Gespür für diese Entwicklung verloren. Die Linksalternativen sind schnell, zu schnell, gealtert. Nach internen Streitigkeiten übernahmen dort jene das Ruder, die den frischen Wind zu einem altorthodoxen, lauen Lüftchen verkommen ließen, indem sie sich mit den Postkommunisten zusammenschlossen und damit viele ihrer Wähler enttäuschten.“
Separatisten schufen sich ihren Gegner
Was der Erfolg von Vox in Andalusien mit Katalonien zu tun hat, erklärt Martin Dahms, Spanien-Korrespondent der Frankfurter Rundschau:
„Der Vox-Durchbruch ist ... ein Kollateralschaden des katalanischen Unabhängigkeitsprozesses. Man konnte so was 2017 ahnen, als nach dem rechtswidrigen Referendum am 1. Oktober im Rest des Landes spanische Flaggen aufgezogen wurden. Der schlagartig erwachte Patriotismus hat nicht nachgelassen, die spanische Rechte hat ihn immer weiter befeuert - bis genügend Spanier davon überzeugt waren, dass die Zeit für eine rechtsnationalistische Partei gekommen ist. Die spanische Ausnahme ist vorbei. Die Separatisten haben nun den Gegner, den sie immer an die Wand gemalt hatten.“
Gegen Frauen und Ausländer
Vox konnte mit altbekannten Ressentiments punkten, betont La Repubblica:
„Ein uraltes Gefühl in neuen Kleidern. Spanien den Spaniern. Lang lebe der König. Tod den 'los moros', den Ausländern. Frauen dahin, wo sie hingehören. Dabei sollte man sich auch daran erinnern, dass die Wahlbeteiligung sehr niedrig war. Der wahre Sieger ist die Partei der Nichtwähler. Die, die sich enttäuscht abwenden, sowohl von der linken Regierung als auch von Rajoys Konservativen, die gleichermaßen korrupt sind. Aber das ist eine Geschichte, die überall gleich lautet.“
Spaniens Demokratie kämpft mit dem Tod
Ausgerechnet kurz vor dem 40. Jahrestag von Spaniens erster demokratischer Verfassung, dem 6. Dezember, gelingt einer rechtsradikalen Partei ein solcher Erfolg, bedauert El País:
„Vox ist eindeutig eine undemokratische Partei, denn in ihrem Programm steht die Diskriminierung der Einwanderer, die Abschaffung der Gesetze zur Gleichstellung der Frau und gegen häusliche Gewalt. ... Trotzdem öffnen die Mitte-rechts-Parteien Vox die Türen und legitimieren sie damit. ... Aber sie sind nicht die ersten: Sánchez' PSOE hat beim Misstrauensvotum dasselbe gemacht, als sie die Stimmen des verfassungsbrüchigen katalanischen Separatismus akzeptiert hat. ... Und all das am Vorabend des 40. Jahrestages der Verfassung, an dem es nichts zu feiern gibt. Spaniens Demokratie kämpft mit dem Tod, und keiner weiß, wie man ihr helfen kann.“
Die Karten werden neu gemischt
In Spanien werben von nun an fünf Parteien um die Gunst der Wähler, konstatiert Público:
„Das Ergebnis der Partei Vox in Andalusien war eine Überraschung für Parteien und Analysten. Umfragen hatten zwar einen Einzug der Rechtsaußenpartei ins andalusische Regionalparlament angedeutet. Doch niemand hat damit gerechnet, dass sie die symbolische Zehn-Prozent-Grenze überschreiten und damit auch Spaniens Parteienlandschaft verändern würde. Von nun an werben fünf Parteien um die Gunst der Wähler. ... Die Spielregeln haben sich geändert. So, wie die parteipolitische Krise auf Seiten der extremen Linken zu Podemos geführt hat, führt dieselbe Krise nun rechtsaußen zu einem ganz anderen Populismus. Die Auswirkungen dieser Regionalwahlen belasten nicht nur Andalusien, sie werden auch Spanien und Europa - bei den Europawahlen im Mai - belasten.“
Jetzt hat auch Spanien seine ultrarechte Partei
Der Erfolg der rechtsradikalen Partei Vox bei den andalusischen Regionalwahlen war nur der Anfang, glaubt El País:
„Diese Wahlen haben gezeigt: Die konservative Stimme wächst - mit Folgen für ganz Spanien. Andalusien - und folglich Spanien - sind nicht mehr anders als der Rest der großen europäischen Nachbarn. Eine rechtsradikale Partei mit noch diffusem Profil hält Einzug in die spanischen Institutionen. Sie verknüpft spanischen Radikalnationalismus mit dem Aufstieg von Parteien wie dem Front National von Marine Le Pen - die auch sofort gratuliert hat - Matteo Salvinis Lega in Italien oder der AfD in Deutschland. Vox ist keine andalusische Partei. Sie wird das kommende Jahr politisch bestimmen, in dem Lokal-, Regional-, Europawahlen und vermutlich auch spanische Parlamentswahlen stattfinden werden.“
Konservative üben den Verrat
Dass die konservative Volkspartei mit einer Koalition mit Vox liebäugelt, verärgert eldiario.es:
„Nun ist klar, dass die PP die Rechtsradikalen für perfekte Koalitionspartner hält, um die kommende Parlamentswahl zu gewinnen. ... Schluss mit der Verteidigung der Grundwerte einer liberalen Demokratie. Schluss damit, die rechtsradikalen Populisten aufzuhalten. Die PP hat all das, was die Chefs konservativer Parteien in Ländern wie Deutschland oder Frankreich gepredigt haben, in den Mülleimer geworfen. ... Parteichef Pablo Casado hat sich für den österreichischen Weg entschieden: Dort regiert die Rechte mit der rechtsradikalen FPÖ, einer Partei, die von einem alten Nazi und ehemaligen SS-Mitglied gegründet wurde.“