Was blüht Belgien nach dem Koalitionsbruch?
Die Regierung in Belgien ist am Streit über das UN-Migrationsabkommen zerbrochen. Weil Premier Charles Michel dieses gebilligt hat, war die nationalistische N-VA zuvor aus der Koalition ausgetreten. Nun führt Michel eine Minderheitsregierung. Obwohl Belgien jetzt zu den Unterzeichnern des Migrationspakts gehört, gehen rechte Parteien für Beobachter als Gewinner aus dem Streit hervor.
Der lachende Dritte
Wer der tatsächliche Nutznießer der ganzen Angelegenheit sein dürfte, erklärt der Jurist Franklin Dehousse in Le Soir:
„Diese Geschichte wird kaum Gewinner haben, abgesehen vom [rechtsextremistischen und separatistischen] Vlaams Belang. Der Versuch, die jeweils anderen Parteien beim Thema Zuwanderung zu überbieten, könnte Flandern sowie ganz Belgien nach der Wahl weiter polarisieren. Dadurch werden wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten nicht einfacher. In den zwei vergangenen Jahren positiven Wachstums wurden bereits wertvolle Gelegenheiten verspielt.“
Warum die N-VA ausscherte
De Morgen sieht die Verantwortung für das Platzen der Regierungskoalition bei der N-VA:
„Ihr immer radikalerer Kurs kam nicht von ungefähr nach den Kommunalwahlen [am 14. Oktober], bei denen die N-VA ihre Wähler zur noch radikaleren Rechten weglaufen sah. Genauso war es kein Zufall, dass die N-VA und ihr Staatssekretär für Migration erst nach dem 14. Oktober durch den UN-Migrationspakt wachgerüttelt wurden, was am Ende zum Austritt aus der Regierung führte. Die Minderheitsregierung Michel II steht vor einem instabilen Abenteuer. ... Wenn Panik und Uneinigkeit zuschlagen, dann können es [bis zur geplanten Neuwahl im Mai] lange Monate in einem unbehaglichen Klima werden.“
Premier bietet Populisten die Stirn
Dass Charles Michel für sein Ja zum UN-Migrationspakt das Scheitern seiner Regierung in Kauf genommen hat, findet die Süddeutsche Zeitung ziemlich beeindruckend:
„Die Mehrheit des Parlaments hat er hinter sich, das bewies eine Abstimmung am Donnerstag. Spätestens bei den Parlamentswahlen im Mai wird sich zeigen, ob auch die Bevölkerung auf seiner Seite steht. Bei allem Chaos, das Belgien jetzt bevorsteht, hat die Situation auch etwas Gutes: Seit die Koalition geplatzt ist, spielt der rechtlich ohnehin nicht bindende Pakt in der Debatte kaum noch eine Rolle - sehr wohl aber die Frage, ob es richtig ist, Populisten mit solcher Konsequenz die Stirn zu bieten.“
Michel ohne Rückhalt
Dass Regieren nun bis zu der geplanten Neuwahl im Mai kaum möglich sein wird, glaubt De Volkskrant:
„Das wird noch ein gefährliches Abenteuer, denn die Regierung braucht jetzt für jede Entscheidung die Unterstützung der Opposition. Die konnte Michel zwar für den UN-Migrationspakt bekommen, aber wenn es um sozioökonomische Fragen geht, wird das deutlich schwieriger. Die Grünen und die Sozialisten machten Sonntag bereits deutlich, dass Michel nicht mit ihnen rechnen kann. Bei solchen Themen muss also wieder die N-VA einspringen, aber jetzt aus der Opposition heraus. Die N-VA aber hat in den nächsten Monaten etwas anderes im Kopf: Im Mai sind Wahlen und die [rechtsextreme] Vlaams Belang hat die Messer schon gewetzt.“