Rede zur Lage der Nation: Ist Trump in Bedrängnis?
US-Präsident Donald Trump hat seine zweite Rede zur Lage der Nation gehalten - vor einem nicht mehr nur republikanisch dominierten Kongress. Wohl auch, weil die Demokraten im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus errungen hatten, hatten Trumps Redenschreiber Signale der Kompromissbereitschaft in den Text eingebaut. Doch Kommentatoren schenken diesen eher keinen Glauben.
Vorgetäuschte Kompromissbereitschaft
Trumps Aufruf zur Zusammenarbeit mit den Demokraten hält USA-Korrespondent Federico Rampini in La Repubblica für eine Finte:
„Dieser Präsident bewegt sich ausschließlich innerhalb der Wählerschaft, die ihm einen unerwarteten Sieg bescherte - mit drei Millionen weniger Stimmen als seine Rivalin und einer Reihe kleiner, aber entscheidender Mehrheiten in einigen Schlüsselstaaten des altindustriellen Amerika. Trump hat nicht einmal versucht, im gegnerischen Lager auf Stimmenfang zu gehen, um Konsens zu suchen und so seinen Rückhalt zu sichern. Typisch ist sein verbissenes Festhalten an der Mauer zur mexikanischen Grenze. ... Dabei vergisst er, dass es bereits eine Mauer gibt, die von Bill Clinton begonnen und von George W. Bush mit dem Segen der Demokraten auf 1.000 Kilometer verlängert wurde. Es war eine Entscheidung von Trump, keine Absprache mit den Demokraten zu suchen.“
Die bittere Erkenntnis der Republikaner
Dass die Rede Trumps Machtlosigkeit illustriert, findet Jutarnji list:
„Die Analytiker sind sich einig: Es ist völlig egal, was Trump im Kongress sagt, denn dazu haben ihn sowieso seine Berater genötigt. Was er wirklich denkt und tun wird, lesen wir in seinen Tweets nach der Rede im Kongress. Die diesjährige Rede zur Lage der Nation ist das Paradebeispiel eines Präsidenten, der Politik nicht versteht, der die Lage im Kongress nicht durch einen Hauch von Kompromissbereitschaft zu seinem Vorteil auszunutzen verstand. Die Information, dass die meisten republikanischen Organisationen sich im Moment für die Vorwahlen vorbereiten, ist schlussendlich ein weiterer Beweis seiner Schwäche. Denn auch ihnen ist klar, dass Trump ein sehr, sehr schwerer Fehler war.“
USA müssen zurück zu ihren Wurzeln
Mit der Krise in den transatlantischen Beziehungen beschäftigt sich Grünen-Politiker Jürgen Trittin in einem Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung:
„Wie sie ausgeht, wird nicht nur davon abhängen, ob Europa darauf eine eigenständige gemeinsame Antwort gibt. Es wird vor allem in den USA entschieden werden. Setzt sich das weisse, ländliche, rechte Amerika durch, werden diese Konflikte eskalieren. Finden dagegen Frauen, Minderheiten und das demokratische Amerika eine Mehrheit, werden die vorhandenen transatlantischen Konflikte nicht verschwinden - aber sie werden wieder lösbar. Es wäre die Rückkehr zu den Wurzeln der Demokratie, die sich in der amerikanischen wie der französischen Verfassung findet - und mit Verspätung im deutschen Grundgesetz. Es ist ein amerikanischer Traum.“