Polen und Israel streiten erneut über Holocaust
Ein ursprünglich für diese Woche geplanter Gipfel Israels und der Visegrád-Staaten in Jerusalem ist abgesagt worden, nachdem Warschau angekündigt hatte, nicht teilzunehmen. Vorausgegangen war ein Streit über Berichte zu Aussagen von Premier Netanjahu und Außenminister Katz über die Kollaboration von Polen mit Nationalsozialisten. Kommentatoren gehen nicht nur mit der polnischen Regierung ins Gericht.
PiS steht vor außenpolitischem Scherbenhaufen
Polen manövriert sich immer weiter ins Abseits, kritisiert der Deutschlandfunk:
„Die rechtskonservative Regierung hatte ihre Außenpolitik einst mit einem markanten Motto beschrieben: Polen müsse 'sich von den Knien erheben'. Selbstbewusster solle das Land auftreten, auch in Bezug auf die eigene Vergangenheit. Das Ergebnis: Wohl noch nie ist weltweit so viel über polnische Kollaborateure der deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg berichtet worden. Außerdem stand Polen schon lange nicht mehr so einsam da. Die Beziehungen zu den einst engen Partnern Deutschland und Frankreich sind stark abgekühlt. Selbst die engsten Verbündeten, die Visegrád-Länder, zeigen Warschau immer öfter die kalte Schulter. ... In der Außenpolitik steht die polnische Regierungspartei PiS also vor einem Scherbenhaufen. Hoffentlich lernt sie daraus.“
Wahlkampf auf allen Seiten
Der Konflikt folgt einem erkennbaren Muster, findet Adevărul:
„Es scheint, dass Netanjahu einer Wahlkampflogik [vor der Parlamentswahl im April] gefolgt ist, als er den Begriff 'polnische Nation' nutzte, um die Zusammenarbeit mit den Nazis zu beschreiben. Und daraufhin reagierte der polnische Regierungschef Morawiecki umgehend, indem er sagte, die Erklärungen seien 'rassistisch und inakzeptabel'. ... Das Thema ist Teil der Diskussion, die derzeit auf europäischer und internationaler Ebene über die Zunahme antisemitischer Gefühle geführt wird. ... Sie ist hervorgerufen durch das Wiederaufflammen von Bewegungen und politischen Parteien, deren Ideologie auf der Tradition des Faschismus und der Nazizeit basiert. Diese Diskussion legt jetzt an Intensität zu, und vor der Europawahl sind alle im Wahlkampf. Da werden Argumente benutzt, die alte Wunden und schmerzhafte Erinnerungen aufreißen.“
Deeskalation durch Geschichtsaufarbeitung
Was die Regierung in Warschau jetzt tun sollte, erklärt Rzeczpospolita:
„Es ist notwendig, die größtmögliche öffentliche Unterstützung für eine einfache Aussage zu erhalten: dass nicht alle Polen mit einer sauberen Weste aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgingen. Es gab diejenigen, die an der Ermordung der Juden beteiligt waren. Von den fast drei Millionen ermordeten polnischen Juden fielen viele Tausende ihren polnischen Nachbarn zum Opfer - sei es, dass die Nachbarn Mörder oder Verräter waren. ... Das ist sehr viel, man darf nicht schweigen und es vergessen. Sie wurden jedoch nicht zu Opfern des polnischen Staats oder der polnischen Nation. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Polen in dieser Todesrechnung besser abschneiden als viele Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa sowie in Westeuropa.“