Neue Spannungen zwischen Indien und Pakistan
Die Spannungen der beiden Atommächte Indien und Pakistan wegen der umstrittenen Kaschmir-Region haben zugenommen. Beide Seiten melden jeweils Abschüsse von gegnerischen Kampfjets. Mitte Februar waren 40 indische Militärangehörige bei einem Anschlag gestorben, den eine Terrorzelle aus Pakistan verübt hatte. Warum eskaliert die Lage jetzt?
Höchste Zeit, dass Indien reagiert
An dieser Eskalation ist eindeutig Pakistan schuld, meint die Tageszeitung Die Welt:
„Es ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Spezialität Pakistans geworden, per Terrororganisationen Einfluss in Nachbarländern zu nehmen - in Afghanistan genauso wie in Indien und dem indischen Teil Kaschmirs. ... Indien, das sich nach dem massiven Terroranschlag einer pakistanischen Extremistengruppe im indischen Mumbai im Jahr 2008 noch zurückgehalten hatte, hat nun neue Spielregeln formuliert und ein Exempel statuiert. Die Botschaft: Anschläge pakistanischer Terrorgruppen in Indien werden in Zukunft Pakistan zugerechnet und entsprechend beantwortet. Dafür war es höchste Zeit. Es ist wünschenswert, dass dieser Konflikt nicht weiter eskaliert. Genauso wichtig ist aber, dass Pakistan mit seiner Politik aufhört, Terrororganisationen freie Hand zu lassen, um Nachbarstaaten zu destabilisieren.“
Riskantes Wahlkalkül
La Vanguardia sieht hingegen Indien in der Verantwortung für die Eskalation:
„Der indische Luftangriff kommt im Vorfeld der für Mai vorgesehenen Wahl, in der die Regierung unter Narendra Modi von der Bharatiya Janata Party, die bis vor kurzem noch als unbesiegbar galt, unter Druck steht, weil der Indian National Congress, die Partei der Staatsgründerfamilie Gandhi-Nehru, unter der Führung von Sonia Gandhi wiedererstarkt ist. Aufgrund der drohenden Gefahr einer Wahlniederlage könnte das Heraufbeschwören des indischen Nationalismus mit der Kaschmir-Frage eine Taktik sein. Doch darf man das Risiko, dadurch ein Gemetzel auszulösen, nicht unterschätzen.“
Demokratie kann brandgefährlich sein
Sowohl in Indien als auch in Pakistan drängt die Öffentlichkeit die Regierungschefs zum Konfrontationskurs, warnt The Daily Telegraph:
„Unter Theoretikern der internationalen Politik gibt es die beliebte Theorie, dass Demokratie ein wirksames Mittel gegen Kriegshetze ist. ... Doch in beiden Ländern verhindert Druck der Öffentlichkeit einen Kompromiss zwischen den politischen Führern, die beide fürchten, in den Augen ihrer Wähler als schwach wahrgenommen zu werden. ... In Indien, wo eine Parlamentswahl bevorsteht, ist die Chance, Härte zu zeigen, ein Geschenk für den populistischen Regierungschef. Dieser hatte schon zuvor auf der nationalistischen Orgel gespielt und anti-muslimische Stimmungen angeheizt.“
Zum Glück sind keine Hitzköpfe an der Macht
Die Welt kann beruhigt sein, dass Modi und Khan derzeit in Indien und Pakistan regieren, erklärt Wedomosti:
„Da in Indien und Pakistan Politiker an der Macht sind, die eine gemäßigte Linie verfolgen, die schon dazu aufgerufen haben, den Konflikt durch Verhandlungen beizulegen, besteht nicht die Gefahr, dass er sich in einen großen Krieg mit Atomwaffen auswächst. ... Doch kann man sich dieses Verzichts nicht sicher sein, sollten aggressivere Führer an die Macht kommen, die Krieg anzetteln, um sich selbst zu bestätigen oder von wirtschaftlichen und sozialen Problemen abzulenken. Die neue Verschärfung des indo-pakistanischen Konflikts in Kaschmir reflektiert eine komplexer gewordene Weltordnung, in der die Wahrscheinlichkeit der Eskalation eines lokalen Konflikts zu einer globalen Gefahr höher ist als zu Zeiten des Kalten Krieges.“
Die Geopolitik bricht in Asien ein
Die Supermächte USA und China halten die Fäden in der Hand, meint der ehemalige US- und Nato-Botschafter Italiens, Stefano Stefanini, in La Stampa:
„Die Geopolitik bricht in Asien ein. Protagonisten sind die beiden großen Weltmächte: die Vereinigten Staaten von Donald Trump und vor allem das China von Xi Jinping. ... Noch halten sich die Vereinigten Staaten zurück. Trump hat Pakistan angemahnt und sympathisiert mit Modi. Das ist keine große Hilfe. Chinas Interessen sind strategisch: Durch Kaschmir führt ein Korridor der Seidenstraße. Für Peking besteht die Herausforderung darin, die Rolle des Beschützers von Pakistan mit der eines Anästhesisten in der Krise in Einklang zu bringen. So wird man zu einer großen Weltmacht.“