Fusionspläne bewegen Europas Bankenbranche
Die italienische Großbank Unicredit hat signalisiert, die Commerzbank zu übernehmen, falls deren Fusion mit der Deutschen Bank scheitert. Die beiden größten deutschen Geldhäuser verhandeln derzeit über einen Zusammenschluss. Gewerkschaften fürchten einen drastischen Stellenabbau. Kommentatoren erklären, welche Fusionen sinnvoll sind - und warum.
Je größer, desto besser
Eine Konsolidierung des europäischen Bankensektors ist essenziell, um dessen Überleben zu sichern, meint The Economist:
„Die Situation in Amerika und Asien legt nahe, dass schiere Größe ein bedeutenderer Vorteil als je zuvor im Bankenwesen wird. Sie erlaubt es, im großen Stil in Technologieplattformen und in Datenanalyse zu investieren. Europa hat zu viele Kreditgeber - 48 Unternehmen werden als wichtig genug angesehen, um regelmäßig Stresstests unterzogen zu werden. Die Banken machen dafür die angeblich mangelnde Harmonisierung der Gesetze und Regulierungen in Europa verantwortlich. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Den meisten großen Banken graut davor, ihre Unabhängigkeit zu verlieren, und ihre Chefs lieben den Status, den ihnen die Führung eines großen Kreditinstituts verleiht.“
Gemeinsam den digitalen Wandel bewältigen
Angesichts der aktuellen Herausforderungen kommen Finanzhäuser schwer um Zusammenschlüsse herum, erklärt Finanzexperte Thibaut Madelin im Wirtschaftsblatt Les Echos:
„Im Kontext von Niedrigzinsen, die die Einnahmen der Banken einbrechen lassen, und Regulierungszwang, der ihre Margen verringert, vor allem aber angesichts der digitalen Revolution, die die Kundenerwartungen verändert und eine neue Konkurrenz hervorbringt, kommt Skaleneffekten eine Schlüsselrolle zu. Der Sektor weist einen erheblichen Investitionsbedarf in neue Technologien auf. Gegenüber den US-Finanzriesen, die sich eines besseren Zustands erfreuen und jährlich IT-Budgets in Höhe von mehreren Milliarden Dollar aufbringen können, droht den europäischen Banken eine Niederlage.“
Patriotismus hilft nicht weiter
Die Tageszeitung Der Standard warnt vor einer Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank, auf die in Berlin gedrängt wird:
„Die deutschen Marktführer sind beide geschwächt; ein Zusammenschluss würde sie nicht stärken, denn er brächte kaum Synergien. Dafür spricht eigentlich nur der Wunsch nach einem nationalen Champion, der in der europäischen Oberliga mitspielen kann. Diese patriotischen Motive mögen im Fußball angebracht sein, aber nicht in der Geldwirtschaft. Eine schlecht aufgestellte deutsche Großbank ist auch für die deutsche Wirtschaft nicht von Nutzen. Was die EU stattdessen braucht, sind integrierte europäische Institute, die von einzelnen nationalen Märkten nicht abhängig sind.“
Für den Steuerzahler riskant
Eine Fusion beider Banken könnte am Ende teuer werden, mahnt der Deutschlandfunk:
„[Es] erhöht sich im Fall eines Zusammenschlusses das Risiko für den Steuerzahler. Die Deutsche Bank ist jetzt schon in hohem Maß systemrelevant. Im Fall der Schieflage einer fusionierten Großbank würde die Rettung noch um einiges teurer werden als jetzt schon. Deswegen ist es aus Sicht des Steuerzahlers unverständlich, warum gerade aus Berlin der Druck kommt, beide in eine Fusion zu drängen. Die Regierung müsste es doch eigentlich besser wissen: Nach der Übernahme der Dresdner Bank ist die Commerzbank während der Finanzkrise so in Schieflage geraten, dass der Staat sie mit Steuermilliarden retten musste.“
Deutschland kann sich alles erlauben
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte schon vor Tagen eine Fusion befürwortet. Das hätte sich in Italien mal jemand leisten sollen, wettert die Berliner Korrespondentin Tonia Mastrobuoni in La Repubblica:
„Man stelle sich vor, was passiert wäre, wenn ein italienischer Wirtschaftsminister die Fusion der beiden größten Privatbanken des Landes bestätigt hätte [sic], während auf der Chefetage der Banken selbst noch beharrliches Schweigen herrschte. Zudem stelle man sich vor, was passiert wäre, wenn am selben Tag die Aktien beider Institute in die Höhe geschnellt wären, beflügelt von dem impliziten staatlichen Rettungsschirm. ... Italien wäre eine Minute später auf der Anklagebank gelandet. Und das erste Land, das mit dem Finger auf Italien gezeigt hätte, wegen der Gefahr einer dirigistischen Operation von fragwürdiger finanzieller Logik und in gefährlicher Nähe einer unerlaubten Bankenrettung mit öffentlichen Geldern, wäre Deutschland gewesen.“
Alleine zu schwach
Um die beiden Großbanken wieder wettbewerbsfähig zu machen, sind Verhandlungen wichtig, findet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Ein Erfolg muss nicht zwingend ein Zusammenschluss sein. Kooperationslösungen zum Beispiel in der IT oder anderen nachgelagerten Bereichen (Back office) können die Kosten in beiden Instituten nachhaltig senken. Deshalb ist es zu begrüßen, dass Deutsche Bank und Commerzbank nun verschiedene Varianten prüfen. ... Zu den Verlierern werden die Mitarbeiter zählen. Doch ohne tief gehenden Stellenabbau werden die beiden Großbanken nicht den Rückstand auf die enteilte internationale Konkurrenz aufholen können. Die Kritiker einer solchen Fusion müssen bedenken, dass weder Deutsche Bank noch Commerzbank eine andere Wahl haben. Sie sind zu schwach, um mit Banken aus dem Ausland auf Augenhöhe zu verhandeln.“