Comeback von Farage: Brexit Party in Umfragen vorn
Die Brexit Party des Rechtspopulisten Nigel Farage ist erst wenige Monate alt und verfügt keineswegs über ein umfangreiches Programm. Doch in Umfragen liegt sie ganz vorne und dürfte bei der Europawahl in Großbritannien auf über 30 Prozent kommen. Rache der Wähler, Fiasko für die Tories, Tragödie für die EU – Kommentatoren sparen nicht mit dramatischen Zuschreibungen.
Unmut vollkommen unterschätzt
Die Wahl wird zur Abrechnung mit den traditionellen Parteien, prophezeit De Tijd:
„Die europäische Wahl scheint in Großbritannien auf eine ultimative Rache des Wählers hinauszulaufen, weil es den traditionellen Parteien noch immer nicht gelungen ist, den Brexit zu einem guten Ende zu bringen. Es ist ein Aufstand der Wähler, die sich nicht länger in den traditionellen Parteien wiederfinden. Natürlich nutzt Farage das populistische Ressentiment aus, dass die Parteien das Ergebnis des Brexit-Referendums ignorieren würden, weil die Elite für ein 'Remain' sei. Aber das zeigt vor allem, dass die traditionellen Parteien den tief sitzenden Unmut vollkommen unterschätzt haben.“
Farage kannibalisiert die Tories
Nun stehen die britischen Konservativen endgültig vor dem Ruin, analysiert der London-Korrespondent von Corriere della Sera, Luigi Ippolito:
„Bei der Europawahl droht die Partei von Winston Churchill und Margaret Thatcher mit nur zehn Prozent hinter der neuen Brexit-Partei von Nigel Farage, Labour, den Liberaldemokraten und sogar den Grünen zu bleiben. Eine Katastrophe, die zwei Hauptverursacher hat: David Cameron und Theresa May, die unfähigsten Politiker, die jemals die Konservativen geführt haben. Der erste, weil er ein Referendum über die entscheidende Frage Europas aus rein innenpolitischen Gründen einberief, die zweite, weil sie die einzige Aufgabe, die ihr übertragen wurde, nämlich den Brexit, nicht umzusetzen vermochte. Dieses Fiasko ist das Lebenselixier von Farage, der die Konservativen kannibalisiert, indem er einen kompromisslosen Ausstieg aus Europa verspricht.“
Darauf hätten wir gern verzichtet
Warum nur nimmt Großbritannien nun auch noch an der Europawahl teil?, stöhnt Etienne Lefebvre, Chefredakteur von Les Echos:
„Die Wahl hat alles, was es für eine schlechte Farce braucht, und könnte für Theresa May als Tragödie enden. Sie glaubt denn auch bereits an ein weiteres Komplott in ihrem eigenen Lager, mit dem Ziel, sie direkt nach der Wahl abzusetzen. Auch für die Europäische Union ist es eine Tragödie: Dem Parlament könnte der Einzug einer Reihe von Kandidaten von der Liste des Extremisten Farage bevorstehen, die es sich nicht nehmen lassen werden, in der Debatte über den Mehrjahreshaushalt und bei den Nominierungen für die EU-Spitzenpositionen mitzudiskutieren. Der Brexit-Aufschub, den man sich besser erspart hätte, führt zu einer Wahl, auf die wir gut hätten verzichten können.“
Wo bleibt die Allianz der EU-Befürworter?
Dass die deklariert EU-freundlichen britischen Parteien nicht als gemeinsame Liste gegen die Front der EU-Gegner antreten, bedauert The Independent:
„Die Liberaldemokraten, die Partei Change UK und die Grünen haben beim Thema EU kaum unterscheidbare Ansichten. Wenn sie bei der EU-Wahl gemeinsame Sache machten, würde sie ihr Rückhalt beim Wähler zusammengerechnet zu einer wettbewerbsfähigen Allianz machen. Das legt zumindest eine Umfrage nahe. ... Auf sich allein gestellt werden sie bestenfalls um ein bisschen Einfluss im EU-Parlament ringen. Im schlechtesten Fall werden sie von der politischen Bildfläche verschwinden.“