Jacques Chirac gestorben
Von 1995 bis 2007 lenkte er als Präsident die Geschicke Frankreichs. Nun ist Jacques Chirac im Alter von 86 Jahren gestorben. Seine politische Karriere begann er als Mitarbeiter von Staatschef Georges Pompidou, er war außerdem zweimal Premier und 18 Jahre lang Bürgermeister von Paris. Wie Chirac Frankreichs Politik in all den Jahren geprägt hat, diskutieren Journalisten.
Keine guten Jahre für Frankreich
In Chiracs Amtszeit erlebte Frankreich einen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Abstieg, analysiert The Economist:
„Seine Regierungsjahre haben Frankreich höhere Arbeitslosigkeit, schlechtere öffentliche Finanzen und tiefere soziale Spaltungen beschert. Sein desillusioniertes Volk verlor das Vertrauen in das europäische Ideal und weitgehend auch in seine eigene herrschende Klasse, nicht zuletzt in ihn. ... Am Ende seiner unglücklichen zweiten Amtszeit war Chirac der unbeliebteste Präsident der Fünften Republik - obwohl François Hollande diesen traurigen Rekord später brach. Es war leicht zu verstehen, warum. Das Land litt unter einer 'profunden Malaise', wie Chirac selbst zugab, und spielte in der europäischen Politik nur noch eine demütigende zweite Geige für ein wiederauflebendes Deutschland.“
Spiegelbild einer Epoche
Chirac fehlte es an Ideen für die Zukunft, bedauert Le Monde:
„Zweifelsohne war er zu selten so visionär wie beim Weltgipfel 2002 in Johannesburg, als er die Alarmglocke angesichts der Bedrohungen des Klimawandels läutete. Zweifelsohne hat er noch weniger die Zukunft gestaltet, mit Ausnahme der Einführung einer Berufsarmee, die dem jahrhundertealten Wehrdienst ein Ende setzte. Zweifelsohne hat er Frankreich, dessen Wirtschaft und Industrie zu Beginn der 2000er Jahre nicht ausreichend auf die Herausforderungen der Globalisierung vorbereitet. In dieser Hinsicht kann er kaum mit seinen Amtsvorgängern und deren Verdiensten rivalisieren. Doch seine Langlebigkeit, seine Hartnäckigkeit und seine Persönlichkeit haben ihn zu einem Mann gemacht, der von einem Jahrhundert ins nächste überleitete. Jacques Chirac, ein Schicksal als Spiegelbild einer Epoche.“
Ein Mann der Leute
Gazeta Wyborcza meint, seine persönlichen Schwächen haben Chirac nie geschadet:
„In Frankreich wurde Chirac zum Helden mehrerer - nicht angeblicher, sondern ganz realer - Skandale. ... Offensichtlich war das förderlich, denn 'einfache Leute' haben sich mit ihm identifiziert, sie fanden, er war ein ihnen ähnlicher Freund, mit all seinen menschlichen Fehlern und Lächerlichkeiten. Er war nun einmal, wie er war, aber in Gesprächen mit 'einfachen' Franzosen hört man heute oft, dass er 'der letzte wahre Präsident' gewesen sei. Spezialisten formulieren es anders: Für sie war er ein 'Monument der französischen Politik'.“